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Dreikönige am Pförtchen

Bild der 32. Woche - 9. bis 16. August 1999

Anbetung der Heiligen Drei Könige vom Dreikönigenpförtchen, Köln, um 1310, Schnütgen-Museum, Köln, Leihgabe des Stadtkonservators Kalksandstein, Höhe 88, 86, 88, 89,5 cm

Ehrfurchtsvoll nähern sich die Heiligen Drei Könige der auf einem erhöhten Sitz thronenden Maria, die sich dem stehenden Jesuskind auf ihrem Knie zuneigt. Sie huldigen dem Kind in unterschiedlichen Stufen der Annäherung: Kaspar überreicht kniend seine Gabe, Balthasar tritt hinter ihm heran, und auf der anderen Seite weist Melchior auf den Stern von Bethlehem, der ursprünglich über der Gruppe angebracht war. Der kleine Jesusknabe ist nicht, wie sonst in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts üblich, mit einem langen Hemdchen bekleidet, sondern nackt dargestellt. Er spielt mit einem Vogel in seinen Händen, der als Stieglitz gedeutet werden kann. Dieser weist am Kopf eine rote Färbung der Federn auf, welche der Legende nach von dem Versuch stammt, einen Nagel aus einer Wunde des Gekreuzigten zu ziehen, und ist somit ein Hinweis auf die Passion Christi. Die starke Neigung der Figuren nach vorne erklärt sich aus ihrem ursprünglich hohen Aufstellungsort über dem Durchgang am Immunitätstor des Kölner Stiftes St. Maria im Kapitol am Lichthof. Sie wurden auf Untersicht gearbeitet, was sich v.a. an dem schrägen Thronsitz der Madonna ablesen läßt. Die der Wand zugekehrten Rückseiten und die Oberseiten der Figurenköpfe sind aus diesem Grund auch nur grob ausgearbeitet. Das Dreikönigenpförtchen ist heute noch an der Südostecke des alten Stiftsbezirkes von St. Maria im Kapitol erhalten. Hier sollen der Überlieferung nach die Gebeine der Heiligen Drei Könige im Jahre 1164 von Erzbischof Rainald von Dassel in die Stadt gebracht worden sein. Daneben läßt sich ein weiterer lokaler Bezug herstellen: Im Osten der Kirche befand sich ein Friedhof, was nahelegt, daß die Heiligen Drei Königen, die als Patrone für einen guten Tod angerufen wurden, hier als Heilszeichen aufgerichtet wurden. Die einst in der maßwerkgerahmten Nische mit blauem, sternenbesetzten Hintergrund über einem großen Spitzbogen befindlichen Figuren wurden an Ort und Stelle durch Kopien ersetzt; die ursprünglich farbig gefaßten Originale befinden sich seit 1958 im Schnütgen-Museum. Sie weisen nur wenige Ergänzungen auf, die den rechten Unterarm des Kindes und den Zeigefinger der rechten Hand des Melchiors betreffen. An der Oberfläche der sehr sorgfältig ausgeführten Kalksandsteinskulpturen ist stellenweise noch das zarte Relief eines reichen geometrischen Musters der ehemals gemalten Gewänder zu erkennen. Von der einstigen Farbfassung haben sich nur an der wettergeschützten Rückseite deutliche Spuren erhalten. Eine enge stilistische und ikonographische Verwandtschaft besteht zu der Anbetung der Heiligen Drei Könige aus der Gruppe der Mensastatuetten vom Hochaltar des Kölner Domes, welche wohl gleichzeitige (um 1310) entstanden sind. Beide Werke zeigen vom schildförmigen Gesichtstypus, der gedrungenen Körperproportionen und der Gewandstruktur her lothringischen Stileinfluß. Dieser ist jedoch hier - verglichen mit der sehr stark von der lothringischen Bildhauerwerkstatt beeinflußten Madonna vom Tongerschen Haus im Schnütgen-Museum (vor 1310) - schon stärker kölnisch geprägt. Insbesondere die Muttergottes zeigt auf anschauliche Weise die kölnische Umformung lothringischer Sitzmadonnen.

S. Lauth