Die Gotik galt seit der Renaissance als barbarischer „deutscher“ Stil. Diese Ablehnung wandelte sich in der Zeit Napoleons und der so genannten Befreiungskriege gegen die Franzosen. Nun beschworen die Romantiker das deutsche Mittelalter als Traumbild und als positiven, nationalen Gegenentwurf.
Die Gotik als Synonym für „deutsche Kunst“ galt als Stil eines zu erneuernden, vorreformatorischen Christentums. Sie diente von nun an als Projektionsfläche für die Sehnsucht nach der fernen mittelalterlichen Vergangenheit, als nostalgischer Fluchtpunkt inmitten politischer und industrieller Umwälzungen.
Das bedeutendste gotische Bauwerk in Deutschland war der Kölner Dom. 1814 rief Joseph Görres zu seiner Vollendung als Symbol der zu erlangenden deutschen Einheit auf. Auch Goethe und der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm begeisterten sich für diese Idee.
In der Zeit der Restauration wurden 1821 die Erzdiözese Köln und 1825 das Domkapitel wiederhergestellt, das Bauwerk ging damit in seinen Besitz über.
Seit Köln 1815 zu Preußen kam, war der sparsame preußische Staat verpflichtet, den Dom zu erhalten. 1819 wurde der alte Domkran repariert. 1824 begann die Regierung mit Wiederherstellungsarbeiten: Bleidach und Firstkreuz wurden erneuert. Doch von einer Domvollendung war noch keine Rede.
Dies änderte sich 1840 mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. Erst 1844 – zwei Jahre nach Beginn der Bauarbeiten zur Domvollendung – wurde bekannt, dass der Ursprung der Gotik keineswegs in Deutschland, sondern ausgerechnet in Frankreich lag: Vorbild des gotischen Kölner Doms war die französische Kathedrale von Amiens. Auch die Wortführer der Kölner Domvollendung konnten diese Erkenntnis nicht länger verheimlichen, was jedoch der Dombeigeisterung keinen Abbruch tat.
Theodor Verhas/ Henry Winkles: Domansicht von Norden, Stahlstich, 1838/40, in: Karl Simrock. Das malerische und romantische Rheinland. Leipzig 1838/40. © Kölnisches Stadtmuseum – Rheinisches Bildarchiv