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Bild der 31. Woche - 4. August bis 10. August 2014
Räderscheidt war kein Vedutist. Er hat sich zwar hin und wieder auch mit der Stadtlandschaft beschäftigt – intensiver erst in den letzten beiden Jahrzehnten seines Lebens –, doch gehörte seine Leidenschaft der Figur im Raum und ihren Beziehungen zueinander. Er gilt als einer der fruchtbarsten Vertreter des Magischen Realismus und bemühte sich im Kreis der Kölner Progressiven mit Max Ernst, Heinrich Hoerle oder Franz W. Seiwert auf der Grundlage einer soliden akademischen Ausbildung um die Entwicklung neuer Bildthemen. In glatten und kühlen Bildentwürfen stellte er mithilfe steifer Figurinen das moderne Großstadtleben nach, schuf Porträts, deren Kälte und Ausdruckslosigkeit den althergebrachten Forderungen an den Porträtisten direkt widersprachen, und wandte sich seit den 1930er-Jahren den die Wirklichkeit verfremdenden oder von ihr sogar absehenden Tendenzen der internationalen Kunstentwicklung zu. Dem Terror der Nationalsozialisten entkam er nach Frankreich, später in die Schweiz und beschloss nach Kriegsende – hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen – die Rückkehr in seine Heimatstadt.
Die seit den fünfziger Jahren gemalten Köln-Ansichten – entstanden natürlich auch, um wirtschaftlich Fuß zu fassen, und teilweise als Auftragsarbeiten konzipiert – sind ein Zeugnis der Bindung Räderscheidts an seine Heimatstadt. Sie dokumentieren in einer ihm eigenen Strichtechnik oftmals neue und frische Ansichten der Stadt. Der Blick vom Messeturm ist allerdings bereits 1956 von Oskar Kokoschka besonders bezüglich des Bildschnitts fast genau vorweggenommen worden (Ansicht der Stadt Köln vom Messeturm aus, Museum Ludwig, Köln, Inv. ML 76/3000). Der Standpunkt auf dem Messeturm in Deutz ist aber der einzige, von dem aus sich das südliche Stadtpanorama in der Vogelschau entwickeln lässt, und es liegt auf der Hand, die Darstellung mit den Domtürmen endigen zu lassen. In der malerischen Auffassung unterscheiden sich beide Bilder. Wo Kokoschka die Details mit großzügigen Pinselhieben verschwimmen lässt, wird Räderscheidt genau. In größter perspektivischer Strenge entwickelt sich in seinem Bild der Stadtraum in die Tiefe. Der Vordergrund aber wird bestimmt durch die Hohenzollernbrücke und als Blickfang durch den Dom mit seinen filigranen Turmhelmen, als das geistliche, mentale und emotionale Zentrum der Stadt.
G. Czymmek