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Suikojû – Der betrunkene Gefolgsmann des Barbarenkönigs

Bild der 46. Woche - 14. bis 20. November 2005

Suikojû, Gigaku-Maske, Trockenlack (kanshitsu), Reste von Farbe auf Lackgrundierung, Japan, Nara-Zeit, 8. Jh., Dauerleihgabe im Museum für Ostasiatische Kunst aus Privatbesitz, Höhe ca. 25 cm, Breite ca. 30 cm, Tiefe ca. 20 cm
Seitenansicht der Maske

Gigaku (wörtlich „gewandte Musik“) ist die älteste bekannte Form des Masken- und Tanztheaters, zu dessen Requisiten diese Maske des 8. Jahrhunderts gehört. Der Überlieferung nach wurde das Gigaku 612 von einem Koreaner namens Mimashi aus dem südchinesischen Königreich Wu nach Japan eingeführt. Seine Blütezeit erlebte das bei Tempelzeremonien und rituellen Handlungen besonders wichtige Gigaku in der Asuka- und Nara-Zeit (7.-8. Jh.). Gegen Ende des 12. Jhs. mußte es schließlich anderen Formen wie dem Bugaku-Tanz weichen. Seit dem 17. Jh. ist seine Existenz dann nicht mehr belegbar. Somit ist das Gigaku die einzige Form des japanischen Maskentanzes, die nicht bis in die heutige Zeit tradiert wurde. Was wissen wir nun über die Form dieses Tanzes? Aufgrund schriftlicher Quellen wie zum Beispiel dem „Buch über Musik und Instrumente aus alter Zeit“ (Kyôkunshô) des Musikers Koma Chikazane (1177-1242) aus dem Jahr 1233 sind Vermutungen über Form und Inhalt des Gigaku möglich. Die große Zahl von über 200 heute noch in Japan erhaltenen Masken läßt zudem den Darstellungsreichtum des Gigaku erahnen. Da sich 23 Maskentypen erhalten haben, führten vermutlich ebensoviele Darsteller Prozessionen, humorvolle Szenen, Tänze sowie Pantomime vor. Dazu gab es Begleitmusik mit Querflöten, Hüfttrommeln und Metallophonen. Die Masken des Gigaku wurden in unterschiedlichen Verfahren gefertigt. Die Mehrzahl der Masken des 8. Jhs. wurde aus Holz (Kampfer, Magnolie und Paulownia) geschnitzt. Der kleinere Teil wurde in der so genannten Trockenlacktechnik hergestellt, bei der ein aus mit Rohlack getränkten Hanftüchern bestehender Kern mit Grundierung überfangen und anschließend aufmodelliert, lackiert und verziert wurde. Die Stülpmasken bedecken das gesamte Gesicht und einen Teil des Hinterkopfes mitsamt den Ohren. Häufig sind bei den Augen nur die Pupillen ausgeschnitten, was dem Tänzer eine nur stark eingeschränkte Sicht erlaubt. Mund- und Nasenöffnungen wurden auf den Innenseiten einiger Masken mit lackgetränktem Leinen geschützt. Unter den 23 Maskentypen kann man 14 verschiedene Charaktere unterscheiden, deren zumeist unjapanische Gesichtszüge wiederum auf einen Ursprung in China, Indien und Zentralasien schließen lassen. Unsere Maske weist eine extrem lange Nase auf, die sie sofort als Ausländer kennzeichnet. Auch die großen Ohren mit den langgezogenen Ohrläppchen waren Zeichen für fremdländische Herkunft. Dadurch ist die Maske als Suikojû zu identifizieren. Suikojû sind die acht Gefolgsmänner des Hu-Königs Suikoô, die gemeinsam mit ihm am Ende einer Gigaku-Aufführung auftraten. „Hu“ waren für die Chinesen der Tang-Zeit sämtliche Barbarenvölker im Norden und im Westen, was Zentralasien, Persien und den Vorderen Orient einschließt. Der Name setzt sich aus den Zeichen für „betrunken“ (sui), „Barbar aus dem Hu-Volk“ (ko) und „Gefolge“ () zusammen. Die hier gezeigte Maskenform repräsentiert den eher nachdenklichen Suikojû-Typ. Der Mund mit den leicht wulstigen geschwungenen Lippen wird als „Karpfenmund“ (koi-kuchi) bezeichnet. Im Bereich der Lippen sowie in den Gesichts- und Ohrenfalten sind Reste roter Bemalung zu erkennen. An einigen Stellen des Kopfes ist die Struktur der lackgetränkten Hanftücher sichtbar. Das ein wenig erstaunt dreinblickende Gesicht mit der übertriebenen Ausformung der Gesichtszüge muß auf die damaligen Zuschauer sehr eindrucksvoll gewirkt haben.

A. Schlombs