Bild der 32. Woche - 4. bis 10. August 1997
Im Mai 1997 starb in Gizeh bei Kairo, krank an einer Art von "Totenbuch" arbeitend, der bekannte amerikanische Aktionskünstler James Lee Byars, der 1932 in Skylight, einem kleinen Appalachenort in Tennessee, geboren wurde und später über sich sagte, "I´m a Mystic" (Ich bin ein Mystiker). Als "Mystiker" zeigte Byars, der als junger Mann mehrere Jahre in Kyoto lebte, ein frühes Interesse am Element Gold, dem in vielen Kulturen mythische, religiöse, transzendentale und herrrschaftliche Bedeutung beigemessen wird. Hin und wieder erschien der maskierte Künstler in seinen stillen Performances ganz in Gold, Rot, Rosa und Schwarz gekleidet. Auf diese Farben reduzieren sich, zusammen mit dem Weiß, auch seine plastischen Werke, die gerade durch ihre formale Perfektion und Lautlosigkeit zum meditativen Denken anregen. Zum Beispiel die 1982 im Zusammenhang mit einer Performance entstandene runde Glasscheibe, durch deren zentrales "Golden Speaking Hole" man Wahrheiten flüstern durfte und die sich in der Sammlung des Museums Ludwig befindet. Oder das perfekt auf weißem Grund installierte mythische Kraftfeld, "The Thinking Field of 100 Spheres Shown in a Cubic Room" von 1989, aus 100 identischen weißen Marmorkugeln; eine Leihgabe der Gesellschaft für moderne Kunst am Museum Ludwig. Humor (zuweilen ein schwarzer), Ironie und Doppelsinnigkeit bestimmen die schweigend "sprechende" Kunst James Lee Byars´, der mit der Aura seiner Persönlichkeit das Publikum verzauberte. So geschah es auch, als James Lee Byars am 8. November 1994 im Kölner Museum Ludwig bei der Entgegennahme des "Wolfgang-Hahn-Preises" zeremoniell mit goldenem Anzug, schwarzem Zylinderhut und schwarzer Augenbinde gewandet erschien, sich still dem Publikum zuwandte und ihm für wenige Sekunden ein "perfektes Lächeln" ("The Perfect Smile") schenkte.
G. Kolberg