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Bild der 50. Woche - 12. Dezember bis 18. Dezember 2022
sichtbar machen, Portraits und Briefe werden am 7.12.2022 an die Fassade des alten Messegebäudes in Köln projiziert – in Erinnerung an die Menschen, die von hier aus deportiert wurden: Alfred und Thekla Salmony, im Hintergrund Auszüge ihrer letzten Briefe (Konzept und Illustrationen: Kane Kampmann, Foto: Gregor Kaluza)
»Bleiben Sie gesund und seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrem Oscar«, schreibt Oscar Hoffmann an seinen Lehrmeister im fernen Rheinland.
Alfred Eichengrün »grüßt und küsst euch recht herzlich« in seinem Schreiben an die Verwandten in Frankfurt – und seine Ehefrau Meta ergänzt: »Tausend herzliche Grüße und tausend Küsse euch allen.«
Alfred und Thekla Salmony wenden sich zur gleichen Zeit an ihren 21-jährigen Sohn Hansjörg und die Familie seiner Verlobten in der Schweiz: »Mein lieber guter Junge, meine Lieben« , schreibt der Vater, »ich küsse Euch alle innigst und segne Euch, meine geliebten Kinder. Auf frohes Wiedersehen.«
»Ich umarme Euch und gebe Euch in Sehnsucht 1000 Küsse. Auf glückliches Wiedersehen, eure Mutti«, fügt Thekla hinzu.
Es sind Briefe und Postkarten an entfernte Freunde und Verwandte, die von Liebe und Zuneigung zeugen, aber auch von Verzweiflung und Angst: »Habt Dank für alles.«, heißt es weiter, »ich bin im Moment nicht in der Lage, so zu schreiben, wie es mir ums Herz ist. … Dieses andauernde Abschiednehmen ist das Schlimmste und ich wünschte sehr, dass schon alles vorbei wäre.« Alfred hätte noch bleiben können, doch er entscheidet sich gegen den Abschied, für die Begleitung seiner Frau: »Du kennst doch deinen Vater, diesen guten Mann«, schreibt sie. Sie gehen zusammen. Er wendet sich noch einmal an die Familie der Verlobten seines Sohnes: »Ich bitte Euch und flehe Euch an, seid unserem armen, schwer geprüften Kinde wahrhaftige Eltern. Dann kann noch alles einmal gut werden. Ein Mensch muss hoffen, solange er atmet – und wir hoffen.«
Das Schreiben stammt vom 28. Oktober 1941, als sich das Ehepaar in der Deutzer Messe einfinden musste. Am 30. Oktober werden beide vom Bahnhof Deutz (tief) in das Getto Litzmannstadt deportiert und dort ermordet. Auch Alfred und Meta müssen mit dem Zug in das besetzte Polen. Hier verliert sich ihre Spur. Oscar Hoffmann wurde am 20. Juli 1942 aus Köln deportiert und kurz nach dem Schreiben der Portkarte aus dem Getto Minsk ermordet.
Es sind diese letzten Briefe, die im Rahmen des Projektes »sichtbar machen« am 7. Dezember 2022, dem Jahrestag einer weiteren Deportation nach Riga 1941, an die Fassade des alten Messegebäudes in Köln projiziert werden. Es sind die gezeichneten Portraits dieser Menschen, eingesprochene Auszüge der Schreiben, die ihre Stimmen und Gesichter, ihre Gedanken und Gefühle sichtbar machen. Es ist der Ort, der sichtbar macht, dass sich dies alles Mitten in der Stadt abspielte, unter den Augen der Stadtgesellschaft.
Auf der umfangreichen Projektwebsite von Museumsdienst Köln und NS-Dokumentationszentrum, gefördert durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft sowie dem Bundesministerium der Finanzen im Rahmen der Bildungsagenda NS-Unrecht, finden sich diese Selbstzeugnisse der betroffenen Menschen, visualisiert in virtuellen Räumen, erläutert durch historische Informationen, ergänzt um weitere Materialien, Zeitzeug*inneninterviews und der Videodokumentation eben jener szenischen Projektion am 7. Dezember 2022 in Köln-Deutz.
D. Lukaßen