Bild der 46. Woche - 14. November bis 20. November 2022
Unsere Entdeckung zeigt ein ungewöhnliches Gefäß aus den reichen Beständen des Römisch-Germanischen Museums in Köln. Obwohl der Fundort dieser aus der Sammlung Karl Löffler stammenden Marmorschale unbekannt ist, gelang es Archäolog*innen bei Ausgrabungen den Entstehungsort ausfindig zu machen.
Die runde, flache Schale von 30,5 cm Durchmesser ist aus wenigen Bruchstücken zusammengesetzt und zum Teil in Gips ergänzt. Auf der Innenseite zeigt sie in flachem Relief eine Darstellung des nordafrikanischen Hauptgottes Baal-Saturn. Der bärtige Gott thront in repräsentativer Haltung unter einem von zwei korinthischen Säulen gestützten und von einem Giebel bekrönten Baldachin. Die rechte Hand hat er im Gebetsgestus erhoben. In der linken hält er drei Ähren und einen Granatapfel. Baal-Saturn ist mit einem bodenlangen Gewand bekleidet. Auf dem Kopf trägt er eine geschuppte Götterkrone und um den Hals zwei kostbare Reifen mit einem großen Schmuckstein in der Mitte. Zu dem prunkvollen Thron, dessen hohe Rückenlehne man im Hintergrund erkennt, müssen auch die zwei nur teilweise erhaltenen Sphingen an den Seiten gehört haben. In den äußeren Zwickeln neben den Säulen erscheinen in etwas kleinerem Maßstab zwei Figuren, die die gesamte Darstellung in einen kosmischen Zusammenhang stellen: links der Sonnengott Helios-Sol mit Globus und Strahlenkrone und rechts die Mondgöttin Selene-Luna mit Mondsichel, Globus und gesenkter Fackel.
Die beschriebene Schale besteht aus gelbem Marmor. Das als marmor Numidicum oder giallo antico bekannte Material war in der römischen Kaiserzeit neben anderen Buntmarmorsorten vor allem für farbige Plattenböden und Wandinkrustationen überaus beliebt. Wie man seit dem 19. Jahrhundert weiß, stammt der numidische Marmor aus den Steinbrüchen von Chemtou, dem antiken Simitthus, im Nordwesten des heutigen Tunesien. Bei deutsch-tunesischen Ausgrabungen in den Jahren 1968 bis 1979 wurde schließlich unmittelbar nördlich der Steinbrüche ein großer Baukomplex freigelegt, in dem während des 3. Jahrhunderts n. Chr. neben Statuetten, Mörsern und Tabletts aus numidischem Marmor offensichtlich auch ganz ähnliche Reliefschalen hergestellt wurden. Anders als die Kölner Schale zeigen alle dort aufgefundenen Fragmente Spuren von Unfertigkeit. Sie gingen also während der Bearbeitung zu Bruch und wurden verworfen.
Die Übereinstimmung mit den dort gefundenen Schalen weist deutlich auf eine Herkunft unseres Stückes aus dieser Werkstatt. Die in ihrer Erhaltung einzigartige Schale des Römisch-Germanischen Museums ist somit ein wichtiges Zeugnis für die Religion und das Kunstschaffen des römischen Nordafrika.
N. Franken