Bild der 37. Woche - 12. September bis 18. September 2022
Ein gewisser Fan Lian schreibt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts:
In jüngster Zeit halten die wohlhabenden Familien Ulmenholz nicht mehr für gut genug und es ist üblich geworden, sich die Betten, Schränke und Tische aus Hartholz, Maserholz und Buchsbaumholz fertigen zu lassen. Diese Möbel sind sehr elegant und exorbitant teuer, jedes Stück kostet 10.000 Cash, ein wirklich extravaganter Lebensstil. Merkwürdigerweise ist es nun sogar Gang und Gäbe, dass Polizisten, die früher ein Zuhause hatten, sich einen abgeschiedenen Bereich zum Ausruhen einrichten, der durch Stellschirme aus Holz abgetrennt ist. Im Innenhof halten sie Goldfische und pflanzen verschiedene Arten von Blumen. Im Innern haben sie Tische von hoher Qualität und Staubwedel mit Pferdehaar. Sie nennen es ihr Studierzimmer. Aber ich frage mich wirklich, was für Bücher sie studieren.
Um 1600 entwickelte sich in den südlichen Küstenprovinzen Chinas ein ungeheurer wirtschaftlicher Aufschwung. Er hatte unter anderem zur Folge, dass die Händler und Kaufleute, die in der traditionellen konfuzianischen Werteordnung an letzter Stelle der gesellschaftlichen Hierarchie standen, gewaltige Vermögen anhäuften und sich mit Konsumgütern umgaben, die früher allenfalls dem Kaiserhaus und der Beamten- und Gelehrtenelite vorbehalten waren. Dieses Streben nach Luxusgütern – und damit eben auch nach Bildung und gesellschaftlicher Anerkennung – spiegelt sich exemplarisch in den Möbeln des 16. und 17. Jahrhunderts wider, die nun als Ausdruck einer persönlichen Lebenskultur oder eines individualistischen Lebensstils dienten.
Im Zuge der Handelsexpansion wurden auch kostbare südasiatische Tropenhölzer verfügbar, zum Beispiel das sogenannte Rosenholz (Huanghuali). Es sollte für die folgenden Jahrhunderte das Ideal schlichter Eleganz prägen und wurde nun viel höher geschätzt als lackierte und mit kostbaren Einlagen versehene Möbel. Der hier abgebildete Schrank aus dem 17. Jahrhundert ist in diesem Rosenholz gefertigt. Mit dem Streben nach persönlichem Luxus und sozialer Anerkennung änderte sich das Verhältnis zu den Gegenständen des täglichen Gebrauchs grundsätzlich. So verfügte etwa der als Schreibkünstler berühmte Minister Li Dongyang in seinem Testament im Jahr 1516, dass seine Kleider, Würdezeichen, Gürtel, Tuschereibsteine, Gemälde und seine Sammlung von Werken der Schreibkunst an seine Schüler, nicht etwa an seine Familie weitergegeben werden sollten. Er sah diese Gebrauchsgegenstände als Stellvertreter seiner Persönlichkeit oder seiner geistigen Essenz, die er bewusst an seine Schüler übermitteln und nicht einfach seinen Erben überlassen wollte.
Es manifestiert sich hierin eine neue Identifikation mit den Gegenständen des Gebrauchs, was sich auch in der Flut der sogenannte Connoisseurliteratur dieser Zeit spiegelt. Der Diskurs über Geschmacksfragen, die Frage zum Beispiel, was zurückhaltend elegant, was natürlich und ungezwungen und was vulgär oder überladen ist, beschäftigte die Gemüter in einem bis dahin nie gekannten Ausmaß. Dieser über 300 Jahre alte Schrank steht beispielhaft für die besondere Qualität der klassischen chinesischen Möbel. Hervorzuheben ist seine schlichte Eleganz, die Reduktion auf das konstruktiv Notwendige und die Wahrnehmung der natürlichen Schönheit des Materials. Darüber hinaus zeugen die komplexen Holzverbindungen vom hohen handwerklichen Können der chinesischen Tischler.
A. Schlombs