Die sichtbar gemachten Unterzeichnungen des ›Altars der Stadtpatrone‹ wurden größtenteils sowohl mit Pinseln (linke Flügelinnenseite u. Mitteltafel) als auch mit Kielfedern (Flügelaußenseiten u. rechte Flügelinnenseite) und schwarzen Zeichenflüssigkeiten ausgeführt. Nur auf der Mitteltafel werden vielfach breite Pinsellinien der Unterzeichnung kenntlich, die eher an Malfarben als an schwarze Tuschen o.ä. erinnern.
In Art und Stil unterscheiden sich die jeweiligen Entwürfe soweit voneinander, dass mutmaßlich mindestens vier, durchweg versierte Zeichner an deren Ausführung beteiligt waren. Dazu zählte offenbar auch Stefan Lochner, jedoch wird seine typische Handschrift nur in den Unterzeichnungen auf der linken Flügelinnenseite und teilweise auf der Mitteltafel erkennbar.
Da die Unterzeichnungen generell weder Entwicklungen in Form und Anordnung der Figuren noch in der perspektivischen Konstruktion erkennen lassen, sind sogenannte Vorzeichnungen außerhalb des Werkes zu vermuten. Viele Indizien sprechen dafür, dass diese Vorzeichnungen keine detaillierten Kompositionsentwürfe darstellten. Möglicherweise handelte es dabei sogar nur um kleinformatige Entwürfe, die als sogenannte Visierungen zur Präsentation oder als Vertragszeichnung üblich waren. Dass diese separaten Vorzeichnungen nicht alle Motive im Detail klärten und voraussichtlich noch weitere Vorlagen zum Einsatz kamen, legen die Unterzeichnungen des fiktiven Banners der hl. Ursula auf der linken Flügelinnenseite und der Mohrenfahne auf der Mitteltafel nahe. Durchaus in Betracht zu ziehen ist, dass die Motive und Kompositionen der separaten Vorlagen und Vorzeichnungen weitgehend freihändig auf die Malgründe der Tafeln übertragen wurden. Dabei sind allerdings mit infraroten Strahlen nicht kenntlich zu machende zeichnerische Vorstufen oder Hilfslinien nicht auszuschließen.
So faszinierend die Unterzeichnungen selbst sind, so beeindruckend und gleichzeitig informativ sind auch die vielen Abweichungen zwischen den graphischen Vorgaben und der darauffolgenden farbigen Ausführung. Diese betreffen zwar kaum die grundlegenden Kompositionen, jedoch viele Details. Manche dieser Veränderungen könnten nach werkstattinternen Revisionen der Unterzeichnungen entstanden sein. Andere, teilweise gravierende Umgestaltungen in der Malerei gegenüber den zeichnerischen Vorgaben deuten auf eine Einflussnahme von Personen außerhalb der Werkstatt, möglicherweise des Auftraggebers, hin. So wäre etwa der in der Malerei auf den beiden Flügelinnenseiten deutlich abgeschwächte Gegensatz zwischen dem ursprünglich geplanten Liebreiz der Ursulaschar und der Streitkraft der Thebäischen Legion unter Gereon als ihrem Offizier zu erklären. Der vermutlich vollständig in Musterung und Faltenwurf unterzeichnete Vorhang im Hintergrund der Flügelaußenseiten mitsamt den Richtungslinien der einfliegenden Taube könnte sogar auf eine von vornherein geplante Inaugenscheinnahme des Auftraggebers hindeuten. Denn rein technisch war diese detaillierte Zeichnung für die schließlich erfolgte Ausgestaltung des Vorhangs mit Pressbrokat nicht notwendig. Darüber hinaus einzukalkulieren ist die Möglichkeit, dass die vermutliche Inspektion der Unterzeichnungen während des teilweise bereits begonnenen Malprozesses stattfand. So war beispielweise die ursprünglich geplante Form des Marienmantels auf der linken Flügelaußenseite schon farbig angelegt, bevor sie zeichnerisch deutlich verändert und dieser Korrektur folgend letztlich gemalt wurde. Auf eine gewisse Dynamik, wenn nicht gar Eile bei der Bewerkstelligung des Altarauftrags könnten unter anderem auch die sehr flüchtig und äußerst skizzenhaft unterzeichneten Köpfe im Hintergrund der rechten Flügelinnenseite hinweisen.
In der Summe aller Beobachtungen ergeben sich damit nicht nur viele neue Einblicke in die Genese dieses herausragenden Werks der Kölner Tafelmalerei des Spätmittelalters, sondern auch wichtige Erkenntnisse zu Mitarbeitern, Organisation und Praxis der Werkstatt ihres berühmtesten Vertreters, Stefan Lochner.