Bild der 1. Woche - 7. bis 13. Januar 2019
Am 8. Januar feiert die katholische Kirche das Patronatsfest des Heiligen Paulus Eremita. In der Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums findet sich ein Gemälde, das die Legende des Einsiedlers in die Gegenwart des 17. Jahrhunderts überführt.
Das Bild des spanischen Malers Jusepe Ribera zeigt einen Greis vor einem tristen, dunklen Hintergrund, der Oberkörper entblösst, die Haut faltig, wund und vernachlässigt. Man fragt sich, ob der Maler hier einen Bettler seiner Heimatstadt gemalt hat, einen verwahrlosten Obdachlosen, der keine andere Nahrung hat, als das Stück Brot, das neben ihm liegt. Der Titel des Bildes belehrt uns eines Besseren: Dargestellt ist ein Heiliger, der Heilige Paulus von Theben. Würde man darauf auch kommen, wenn man den Titel nicht kennen würde?
Man muss schon genau hinsehen, um im Bild selbst Hinweise zu finden, die zeigen, dass keine Alltagsszene aus dem Armenviertel einer barocken Stadt, sondern ein Heiliger dargestellt ist: Der Mann hält einen Totenschädel in Händen, ein gängiges Symbol für die Vergänglichkeit alles Irdischen. In seiner Linken kann man außerdem ein Kreuz erkennen, das wohl zu einem Rosenkranz gehört. Zusammen mit dem Buch auf dem Stein neben dem Greis zeigt es uns, was der Greis im Gegensatz zum vergänglichen diesseitigen Leben für wichtig erachtet: Geistige Studien und den festen Glauben an Gott. Wichtig für den Eindruck, einen Heiligen vor sich zu haben, sind nicht nur diese symbolischen Gegenstände, sondern seine Mimik und die Lichtregie des Bildes.
Der Greis blickt eben nicht resignierend ins Leere, sondern schaut mit wachen, zuversichtlichen Augen in das Licht, das seinen Körper bescheint. Tatsächlich ist nur der Heilige selbst beleuchtet, der Hintergrund verschwindet vollständig im Dunkeln. Auch das Licht kann man also als Zeichen verstehen: nicht die sichtbaren, vergänglichen Gegenstände der diesseitigen Welt soll man suchen, sondern die Zuversicht des Glaubens. Der Hl. Paulus von Theben in Ägypten war gläubiger Christ und musste im 3. Jh. nach Christus vor dem römischen Kaiser Decius in die Berge fliehen. Dort lebte er in der Einsamkeit, traf 60 Jahre lang keinen einzigen Menschen. Er soll über 100 Jahre alt geworden sein und sich von Brot ernährt haben, das ihm ein Rabe brachte. Er hatte beschlossen, in der Einsamkeit und Askese sein Leben ganz Gott zu widmen.
Paulus gilt als der erste Eremit, dessen Vorbild viele weitere folgten. Später schlossen sich die Eremiten in Gruppen zusammen und begründeten damit das Mönchtum. Der Maler unseres 1647 datierten Bildes, Jusepe Ribera, zeigt unverhohlen – und das war das Neuartige an seiner Malerei -, dass das zurückgezogene Leben in der Einsamkeit keineswegs ein idyllisches Abenteuer ist, sondern harte Entbehrungen verlangt, dass der Weg zur geistigen Erleuchtung ein mühsamer und beschwerlicher ist. Deshalb stellt er den Heiligen Paulus nicht als idealisiertes göttliches Geschöpf, sondern als einen Menschen da, den die lange Zeit der Entbehrungen deutlich gezeichnet hat.
K. Kwastek