Bild der 53. Woche - 31. Dezember bis 6. Januar 2019
Am zurückliegenden Sonntag haben Katholiken das Fest der Heiligen Familie begangen. Dazu passt dieses Bild der Woche ganz genau. Es zeigt die heilige Familie beim Mahl und ist eine interessante Mischung aus religiöser Malerei und Genrebild. Die Szene spielt in einem stattlich eingerichteten bürgerlichen Wohnraum, dessen Tür offen steht. In beiden Räumen die Fenster angeschnitten sichtbar und verraten einen gewissen Wohlstand. Zur Einrichtung der teilweise vertäfelten Wohnstube gehören Wandbord, Schrank und Tisch, der an den vorderen Bildrand gerückt ist.
Maria, die das Kind sorgsam auf dem Schoß hält, löffelt in einer Schüssel mit Milch. Es scheint fast so, als ob sie den Kleinen füttern wollte. Josef schneidet Brot, und der Tisch ist reich gedeckt. Das wahrscheinlich gegen Ende des 15. Jahrhunderts entstandene Bild, wirkt wie der Ausschnitt einer privaten Familienszene. Keines der vom Maler ins Bild gesetzten Attribute weist auf die Heiligkeit der Personen hin. Zwar befinden sich mit Brot und Wein auch Hinweise auf die Eucharistie auf dem Tisch, doch der Maler legt besonderen Wert auf die Darstellung des Hausrats. So gehören Brot, Käse, Apfel, Milch, Teller, Plättchen, Schalen, Zinngeräte und Siegburger Steinzeug zur reich gedeckten Tafel. Weitere Gerätschaften stehen auf Schrank und Regal an der Rückwand: Krug, Schale, Buch und Schatulle. Der Detailreichtum des kleinen Gemäldes zeigt die Freude an der immer breiter werdenden Darstellung alltäglicher Dinge, wie sie typisch für die Malerei des ausgehenden Mittelalters ist.
Dennoch stehen die Gegenstände in engem Zusammenhang mit dem Bildthema. Sie sind gleichzeitig Bestandteil des Genrebildes, Attribute der Heiligen Familie und Vorläufer späterer Stillleben-Darstellungen gleichermaßen. Trotz der bürgerlichen Szenerie kann kein Zweifel daran bestehen, dass insgesamt ein christliches Motiv gemeint ist. Neben den eucharistischen Hinweisen Brot und Wein ist auch die Milch ein Marien-und Christus-Symbol (vgl. 1 Kor 3,2). Der gestickte Hirsch auf dem Kissen wird bereits im „Physiologus“, einer religiös naturgeschichtlichen Schrift der Spätantike, als Sinnbild Christi verstanden.
Das Gemälde ist sicherlich für die private Andacht entstanden und steht in der Tradition der Devotio moderna, einer Frömmigkeitsbewegung, die das geistliche Klima des 15. Jahrhunderts stark geprägt hat. Die Kunstwerke, die sich von ihr beeinflusst zeigen, thronen oft die Menschlichkeit Christi und eignen sich für eingehende Betrachtungen. Die Zuschreibung des Werkes ist nicht gesichert, die jängere Forschung vermutet den sog. Meister des Braunschweiger Diptychons als Autor.
M. Hamann