Die letzte Kriegsphase

Die Stimmung in Köln schwankte seit Herbst 1944 bis unmittelbar vor dem Einmarsch der alliierten Truppen zwischen Verzweiflung und Hochstimmung, Vorfreude auf das ersehnte Ende der Luftangriffe und Angst vor einer völlig unsicheren Zukunft. Zudem wurde das allgemeine Klima zunehmend von einer eigenartigen Mischung aus Galgenhumor und irrealen Hoffnungen mitbestimmt, zu denen der im Oktober 1944 ins Leben gerufene „Volkssturm“ aber nur wenig beigetragen haben dürfte.

Bei all dem dominierte der zwischen Tages- und Nachtangriffen wechselnde Bombenkrieg das Leben der in der Stadt verbliebenen Menschen. Dessen Bilanz fiel nach dem letzten und besonders schweren Angriff vom 2. März 1945 verheerend aus. Das Zentrum der in Trümmern liegenden Stadt war unbewohnbar. Frauen und Kinder sollten evakuiert werden, während die zurückbleibenden Greise und Jugendlichen Köln auf Anordnung des NS-Regimes um jeden Preis verteidigen sollten.

Die letzte Kriegsphase

Stimmungslagen 1944/45

Kübelwagen der Wehrmacht mit zivilen Zusatzpassagieren auf der Aachener Straße, um 1944/45 (Rheinisches Landesmuseum Bonn/Sammlung Hermann Claasen)

Ab September 1944 verdichteten sich in Köln Hinweise auf ein baldiges Kriegsende. Während von der Westfront zurückkehrende Soldaten „wahre Hiobsbotschaften“ mit brachten, erwartete die Bevölkerung weitere schwere Luftangriffe auf die Stadt, weil man sie – so die weit verbreitete Ansicht – von alliierter Seite zunächst „sturmreif“ machen wolle. Folglich befanden sich die Kölnerinnen und Kölner in einem Zustand „kolossaler Spannung“, der ohne nennenswerte Unterbrechungen bis zum Eintreffen der US-Truppen im Frühjahr 1945 anhalten sollte.

Hierzu trug die NS-Propaganda erheblich bei, die keinen Zweifel daran ließ, dass es niemandem mehr gestattet würde, aus dem „Zug des Krieges“ auszusteigen. Im Gegenteil: „Wir werden gemeinsam das Ziel der Kriegsreise erreichen oder wir werden einzeln untergehen und als Volk und Nation aus dem Buch des Lebens gestrichen werden.“ „Das Elend nähert sich“, brachte eine Kölnerin die Stimmungslage am 18. September 1944 auf den Punkt. „Jetzt gehen die Leute hier daran, in den Kellern kleine Räume oder Ecken zuzumauern, in denen man die wertvollen Dinge versteckt hat. Andere wieder vergraben ihren Besitz, ja sogar ganze Zimmereinrichtungen, tief in die Erde ihrer Gärten.“

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Die letzte Kriegsphase | Stimmungslagen 1944/45

Brennende Häuser in der Kerpener Straße in Köln-Nippes, 9. Juli 1943 (NS-DOK/Imperial War Museum)

Die schwerste Phase des Krieges stand den Kölnerinnen und Kölnern aber noch bevor. Es ist grauenhaft“, fasste eine von ihnen die Folgen des Tagesangriffs vom 27. September zusammen. Was dann im Oktober folgte, stellte alles zuvor Geschehene aber nochmals weit in den Schatten.

Am 2., 3., 5., 14., 15., 17., 18., 28., 30. und 31. Oktober durchlebte die Stadt eine Serie schwerster Angriffe, die sie vollends in eine Trümmerwüste verwandelte. Praktisch jeder Angriff wurde als der bisher schwerste empfunden, und man kam nicht mehr damit nach, die Toten und Verletzten zu zählen. Köln war nach Ansicht des Schweizer Generalkonsuls Rudolf von Weiss endgültig zu einer „Stätte der Verheerungen und des Grauens“ geworden. Aber nicht nur das. „Was wir oft schon zu sein vermeinten – jetzt ist’s soweit, dass wir Front sind“, notierte ein Kölner Chronist des Bombenkriegs nach dem Ende der Angriffsserie.

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"Was war das wieder für eine Woche? 6 schwere Angriffe in 5 Tagen auf Köln. Alles flüchtet aus Köln heraus, besonders jetzt, nachdem Aachen gefallen ist. Was sollen wir tun? Magdalene bestürmt uns, nach Konstanz zu gehen. Mir will es die Kehle zudrücken, wenn ich mir vorstelle, dass wir hier alles verlassen sollen. Vorläufig bleiben wir jedenfalls hier, bis es nicht mehr anders geht. Es bleibt uns bald gar kein Blick, wie das noch weitergehen soll. Um uns nur Zerstörung, Chaos und ein übermächtiger Vernichtungswille und nirgends die Aussicht auf ein Ende." (Tagebucheintrag Liesel Strausfeld, 24.10.1944)

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"Alles zu schildern, fehlen einem Worte und Zeit: Abends - Montag - wegen vieler Arbeit noch in Hohenlind. Alarm, letzte Ölung im Luftschutzkeller, ewiges Heransausen und Krachen der Luftminen, später Beobachtung all des Grauenhaften, später früh morgens Pilgerung durch eine Wüstenei, ehemals Lindenthal, unter Aschenregen und ewiger Nacht vor Qualm - und ewig die quälende Frage vor Augen: Wie ist es zu Hause? Vorfinden aller gesund. Hastiges Zusammenpacken der Rucksäcke, Erreichen unter Aufregungen den Kalker Bahnhof, Flüchtlingselend und Gedränge, unvorstellbare Zustände, schließlich noch Alarm, Krachen von Bomben in nächster Nähe - endlich glückliches Ankommen in Waldbröl, Übernachten im Wartesaal, nach vielen Zweifeln endlich Unterkunft in einem kleinen Zimmerchen, aber warm. Was nun? (Tagebucheintrag Eva Schwedhelm, 1. 11.1944)

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Anfang Juli 1943: Bombenopfer (NS-DOK/Imperial War Museum)

Der größte Teil der noch anwesenden Bevölkerung reagierte zunehmend ratlos und verzweifelt. Man wusste einfach nicht mehr, wohin man sich wenden sollte, denn die Todesgefahr schien allgegenwärtig, wie drei zeitgleiche Beispiele aus Lindenthal belegen. In der Landgrafenstraße waren mehrere Menschen getötet worden, weil sie ihr als „zerbrechlich“ eingestuftes kleines Haus verlassen und stattdessen Schutz in einem als sicher geltenden Bunker gesucht hatten. Ein in der Nähe wohnender Fabrikant verlor beim gleichen Angriff Frau, Tochter und Enkelin, die er erst am Vortag aus der Eifel zurückgeholt hatte. Und zur gleichen Zeit wurde ein Professorenehepaar Opfer eines Tieffliegerangriffs auf jenen Zug, der es in die vermeintlich sichere Eifel bringen sollte.

„Dieses ewige Warten auf den Tod mit unbekannter Todesart“ war laut einer jungen Frau, die sich „wie im 30-jährigen Krieg“ fühlte, einfach nicht mehr auszuhalten. „Ich weiß nicht, was werden soll. Wann wird uns endlich ein schmerzloser Tod erlösen?!“ Wer sich noch in Köln befand, war laut Rudolf von Weiss in einen „Zustand der Mutlosigkeit, Gleichgültigkeit und Hoffnungslosigkeit versetzt“. Die meisten von ihnen wünschten sehnlichst eine schnelle alliierte Besetzung herbei. um „dieser furchtbaren Gefahr zu entgehen“. Die Kölnerinnen und Kölner seien „in eine dumpfe Panikstimmung verfallen, die sie einfach lähmt und ihnen nicht einmal die Möglichkeit gibt, auch nur Tränen zu vergießen“.

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"Als ich heute Morgen durch Braunsfeld und Lindenthal kam, überkam mich das Grauen, aber unbezwingbar. Wo ist der Reiz und die Schönheit dieser Straßen geblieben? Ich könnte heulen. Ich fand vor ständig wachsender Todesangst beim Anblick dieser Verheerung kaum den Weg nach Hohenlind. Es ist alles so grauenhaft geworden. Mir ist das Herz so furchtbar schwer, ich sehe keinen Ausweg. Wieder ist ein Großalarm überstanden und ich bin jetzt hundemüde." (Tagebucheintrag Eva Schwedhelm, 6. 11.1944)

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"Wie es in unserem Köln aussieht, davon kannst Du Dir keinen Begriff machen. Es steht jetzt wirklich nichts mehr. Köln ist eine tote Stadt. Es gibt kein Wasser, kein Licht, kein Gas in ganz Köln, schon seit 15.10. nicht mehr. Du kannst Dir also ungefähr denken, wie wir aussehen. Von morgens 9-10 Uhr und abends 21-22 Uhr haben wir Alarm; und dann fallen die Bomben: Teppich über Teppich. Es ist zum Verzweifeln. – Aber was kann man da machen, abwarten und durchhalten. Durch die furchtbaren Angriffe ist natürlich auch unser gesamter Postverkehr aufgehoben."(Brief Christa Lehmacher an ihren Bruder, 15.11.1944)

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Die letzte Kriegsphase | Stimmungslagen 1944/45

Szenen am Dombunker, vermutlich 1943 (Historisches Archiv der Stadt Köln)

Köln war seit Herbst 1944 keinesfalls mehr eine Stadt im herkömmlichen Sinne. Der größte Teil des Lebens spielte sich nämlich längst buchstäblich unterirdisch ab. „Viele Kölner sind Höhlenbewohner geworden!“, notierte ein Beobachter am 9. Januar 1945.

Sie alle fanden sich in der „Notzwangsgemeinschaft Luftschutzbunker“ zusammen, ohne dass es Aussichten gab, dieser Lebensform bald wieder zu entkommen. Was blieb, war das Warten auf eine schnelle Ankunft der Alliierten, die zugleich aber auch gefürchtet wurde. Entsprechend aufgeladen war die Stimmung im Umfeld dieser neuen Zentralplätze „öffentlichen“ Lebens, an denen sich ein bunt gemischtes Volk traf, das unter anderen Umständen kaum so zusammengetroffen wäre.

Mit den Nerven am Ende, von extremem Schlafmangel gezeichnet, hungrig, durstig, frierend und – wohl besonders belastend – zumeist ohne jedes Fünkchen Hoffnung versuchten diese Menschen zu überleben. Dabei wirkte die im Laufe des Krieges aufgebaute Gewöhnung an den Tod oftmals enthemmend und verrohend. Wer täglich, ja stündlich mit dem Tod rechnen musste, war nicht mehr unbedingt gewillt, Rücksicht auf andere zu nehmen.

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"In dem Eingang zu einem öffentlichen Luftschutzraum Kölns kam es in der zweiten Januarwoche zu einem Wortwechsel zwischen dem braununiformierten Luftschutzwart, der den Raum für besetzt erklärte, und einem älteren Wehrmachtsangehörigen, der - ohne aggressiv zu werden - sich über die Abweisung entrüstete, aber nicht Zeit zur Beendigung seiner Beschwerde hatte, da der Luftschutzwart ihn über den Haufen schoss. Ein Augenzeuge erklärte mir, nicht ein Anflug von Entrüstung, gar Aufbegehren habe sich dabei unter dem Publikum gemeldet." (Bericht des Generalkonsuls Rudolf von Weiss, 25.1.1945)

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"Erschütternd ist der Anblick der Tausende von Frauen, Männern und Kindern, die allabendlich, auch wenn kein Fliegeralarm gegeben wird, den großen Bunkern zur Übernachtung zustreben. Wer die Er-schöpfung der Nerven und die Ermattung der Bevölkerung in diesen Bunkern gesehen hat, muss die Überzeugung gewinnen, dass die Grenze der seelischen Durchhaltekraft erreicht ist." (Bericht des Generalkonsuls Rudolf von Weiss, 2.5.1944)

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"Die Stimmung in der Bevölkerung ist einfach trostlos und in den öffentlichen Bunkern, in denen ein großer Teil der Einwohner ihre Nächte verbringen, kann man öfters den Gruß ‚Heil Moskau’ hören, ohne dass er von jemandem beanstandet wird." (Bericht des Generalkonsuls Rudolf von Weiss, 2.11.1944)

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„Keine USA-Weihnacht in Köln!“ – Titelseite des „Westdeutschen Beobachters“ vom 18. Dezember 1944

Und dann kam sie doch noch, die vom NS-Regime lange angekündigte und von vielen zumindest insgeheim erhoffte Gegenoffensive. Am Morgen des 16. Dezember startete die Wehrmacht mit 200.000 Soldaten zwischen Monschau und Echternach unter Aufbietung letzter Kraftreserven einen Angriff, der für die Alliierten völlig überraschend kam. „Die amerikanische Besatzung der Schnee-Eifel weit hinter der Front vernichtet“, lautete eine der zahlreichen Schlagzeilen, mit denen der Westdeutsche Beobachter die Bevölkerung auf eine angebliche Kriegswende einzuschwören versuchte. Und der Sicherheitsdienst der Gestapo sprach mit Blick auf den Vorstoß von einem „großen Aufleuchten“.

Und tatsächlich glaubten viele an eine Kriegswende, weil sie einfach daran glauben wollten. Nach Beobachtungen von Konsul von Weiss hatte „die seit etwa einer Woche vorgetragene deutsche Gegenoffensive eine geradezu elektrisierende Wirkung auf die Menschen hier“. Man greife „gierig Äußerungen von Soldaten auf, Belgien und Frankreich seien bald wieder in deutscher Hand“. „Wenn das wahr würde! Ich wage nicht weiter zu denken!“, notierte eine 19-jährige Kölnerin am 16. Dezember in ihr Tagebuch. Leicht werde die Zeit nach einem nun für sie wieder greifbaren deutschen Sieg sicherlich nicht, „aber es geht doch dem Aufbau entgegen!“

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"Draußen gellt Großalarm - aber das berührt uns jetzt gar nicht, denn seit drei Tagen ist unsere Offensive im Gange - wir können vielleicht wieder in unsere Wohnung zurück! Welch ein Gefühl das ist, kann wohl nur der beurteilen, der auch schon so mit allem Lieben und Teuren abgerechnet hatte wie wir. Wenn jetzt die deutschen Flugzeuge durch die Luft brausen, dass die Wände wackeln, in Siebener-Reihen, dann könnte man heulen vor Freude. Und fassen kann man das Ganze noch gar nicht.“" (Tagebucheintrag Eva Schwedhelm, 18.12.1944)

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Nach dem Angriff vom 29. Juni 1943 (NS-DOK/Imperial War Museum)

Nur zu bald machten sich jedoch mehr als berechtigte Zweifel breit: „Gestern Abend krachten wieder 300 Bomben in unserer Nähe, um unsere Begeisterung zu dämpfen“, heißt es unter dem 22. Dezember im gleichen Tagebuch. Tatsächlich brach die „Ardennen-Offensive“ schnell in sich zusammen. Bereits am 27. Dezember wandelte sie sich zur Defensive, und bis zum 16. Januar 1945 ging das gesamte von der Wehrmacht zuvor gewonnene Gelände wieder verloren. In Köln bemerkte man den neuerlichen Rückschlag an der erneut zunehmenden Aktivität der alliierten Bomberverbände. Am 30. Dezember sowie am 3., 6., 7., 10. und 14. Januar wurden größere Angriffe gegen die Stadt geflogen.

Mit dem Zusammenbruch der Offensive fielen endgültig die letzten Schranken. Die NS-Presse wies unverblümt darauf hin, dass jeder „Volksgenosse“ unter Berufung auf das herrschende „Notrecht“ Plünderer künftig „nach vorherigem Anruf“ erschießen dürfe. Das war nichts anderes als ein Aufruf zu ungezügelter „Volksjustiz“. Jeder konnte demnach ungestraft jeden erschießen, denn ein Grund dafür ließ sich angesichts eines völlig undefinierten „Notrechts“ leicht konstruieren. Und es gab niemanden mehr, der solche Taten in den städtischen Trümmerwüsten überhaupt noch überwachen oder gar strafrechtlich verfolgen konnte.

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"Auf Plünderung steht ja der Tod. Richter ist dann irgendein Soldat, der einen Menschen totschießen kann, wenn es ihm beliebt. Hinter dem Bahnhof Ehrenfeld sind fünf Leute öffentlich gehängt worden. Ein Junge mit kurzen Hosen war darunter. Angeblich waren es Plünderer, wer weiß, was sie verbrochen haben. Man ist heute rasch abserviert, da wird nicht lange gefackelt. Wer fällt solche Todesurteile? Alle Ordnung scheint sich aufzulösen.“" (Tagebucheintrag Hans Diefenbach, 26.2.1945)

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Die letzte Kriegsphase

Propaganda und „Volkssturm“

Die NS-Propaganda versuchte ihr eigenes, von der Realität deutlich abweichendes Bild der Lage zu zeichnen. Mit dem Oktober 1944, so hieß es in einem am 1. November veröffentlichten Artikel, sei ein Monat zu Ende gegangen, „den erlebt und bestanden zu haben Köln stets zur höchsten Ehre gereichen“ werde. „Keine deutsche Stadt, kein einziger Name außer Aachen“ sei „so oft im Wehrmachtsbericht genannt worden wie der Kölns“ - als ob man auf diese Publizität und die gerade durchlebte Vernichtung stolz sein müsse. Trotzdem allem sei „der Geist der Bevölkerung, die das Schwerste mitgemacht hat, was überhaupt jemals deutschen Menschen zugemutet wurde, nicht wankend geworden“: „Sie verzagt nicht in allem Leid. Mit diesen Methoden kann der Feind sie nicht mutlos machen. Er selbst zieht sich nur Hass und nochmals Hass zu.“

Konsul Rudolf von Weiss brachte sein Erstaunen zum Ausdruck, wie viele Menschen noch immer auf solche Propagandatricks hereinfallen würden, „von denen man annehmen müsste, dass sie allein schon durch ihre jahrelange Wiederholung abgenutzt sein müssten“. Zwar glaube kaum noch jemand ernsthaft an einen deutschen Sieg, wohl aber an die insbesondere seitens der NS-Presse geschickt aufgemachten „Gräueltaten“ der Alliierten, „so dass jetzt im Hinblick auf die nahe Zukunft völlige Kopflosigkeit“ herrsche.

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"Aber wir brauchen den Mut nicht sinken lassen. Solange ein Volk kämpft, geht es nicht unter. Auch unsere Feinde sind härtesten Bedingungen ausgesetzt. Es kommt eben darauf an, wer den längsten Atem hat. Jeder Deutsche hat seinen Beitrag geleistet, und das soll alles umsonst sein. Nein, es gibt noch einen Herrgott. Allen zum Trotz werden wir siegen." (Brief Günther Dünnwald von der Front an seine Mutter in Köln, 2.12.1944)

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"Ein Offizier von der Front kommend, hat mir wieder viel Mut eingeflößt. Dieser Tage hörte ich schon ähnliche Worte wie: Wir setzten nur einen Bruchteil unseres Bestandes ein und in Kürze würden die Angloamerikaner wieder genauso schnell, wie sie hereingekommen wären, hinausbefördert. Wenn das wahr würde! Dann könnten wir wieder in unsere eigene Wohnung - ich wage nicht weiter zu denken!" (Tagebucheintrag Eva Schwedhelm, 16. 11.1944)

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Die letzte Kriegsphase | Propaganda und „Volkssturm“

Joseph Goebbels bei seiner Rede in einer Werkhalle von Glanzstoff-Courtaulds im Oktober 1944 (koelnprogramm)

Am 25. September 1944 unterschrieb Hitler einen „Führererlass“, dessen zentraler Satz lautete: „Es ist in den Gauen des Großdeutschen Reichs aus allen waffenfähigen Männern im Alter von 16 bis 60 Jahren der Deutsche Volkssturm zu bilden.“

Bevor das geschah, wurde Köln am 29. September 1944 zur „Festung“ erklärt, und am 9. Oktober ordnete Gauleiter Grohé die „Rundumverteidigung“ der Stadt unter maßgeblicher Beteiligung der NSDAP an. Als Verbindungsmann zwischen Partei und Wehrmacht – konkret zwischen den Ortsgruppenleitern und den in Köln aktiven Truppenteilen – wurde NSDAP-Kreisleiter Alfons Schaller eingesetzt. Als zentrale Aufgaben sah Grohés Anordnung den Bau von Panzersperren und die „Unbrauchbarmachung“ der wichtigsten Straßen vor.

Am 18. Oktober wurde dann der „Volkssturm“ aufgerufen, von dessen Angehörigen „leidenschaftlicher Hass“ gegen den Gegner gefordert wurde. Andere Mittel standen im künftigen Kampf auch kaum zur Verfügung, denn dem Volkssturm fehlte es praktisch an allem: an Ausbildung und Waffen – und den weitaus meisten seiner Mitglieder zudem an jeglicher Motivation. So berichtete Konsul von Weiss, in Köln falle es niemandem ein, „in Zivilkleidung eine Waffe in die Hand zu nehmen, um nachher von den Alliierten als Partisane erschossen zu werden“.

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Die letzte Kriegsphase | Propaganda und „Volkssturm“

Heranziehungsschein des Deutschen Volkssturms, 1945 (NS-DOK)

Als der Kölner Volkssturm dann am 12. November vereidigt wurde, lief der Westdeutsche Beobachter erneut zu propagandistischer Hochform auf und beschwor „hartes Ausharren“ und „ungebrochenen Glauben“ an den „Endsieg“. NSDAP-Kreisleiter Schaller ließ vollmundig wissen, dass „der Geist, der den Volkssturm durchdringe“, letztlich „den Sieg über die feindliche Materialüberlegenheit davontragen“ werde.

Die Realität stand solchen Floskeln in diametralem Gegensatz. Die zumeist älteren Männer, die zum Volkssturm einberufen wurden, wirkten eher wie skurrile Gestalten, die in ihrer zumeist improvisierten Bekleidung völlig überfordert und desorientiert auftraten. So beobachtete ein Chronist Mitte November einen Volkssturm-Trupp, der auftragsgemäß damit beschäftigt war, Panzersperren zu errichten. Zurückflutende Wehrmachtssoldaten, so hielt er fest, würden sich über solche Verteidigungsversuche „kaputtlachen“. Ende Januar fasste Konsul von Weiss das Erscheinungsbild des Kölner Volkssturms prägnant zusammen: Der habe das „Odium der Lächerlichkeit“, mit dem er ins Leben getreten sei, nie ablegen können. – Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige seiner Angehörigen in den letzten Kriegstagen noch zahlreiche Verbrechen begingen, andere beim Einmarsch der US-Truppen sinnlos ums Leben kamen.

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"In Köln, der Frontstadt im Westen, die dem Reich ein Beispiel an Tapferkeit, des harten Ausharrens und des ungebrochenen Glaubens gegeben hat wie kaum eine andere Stadt, hatten sich gleichfalls die Reihen lückenlos auf den Ruf des Führers formiert und die Bataillone legten ihren Eid, den heiligen Sturm bis zum letzten Atemzug zu verteidigen, auf die Fahnen des Reiches ab." (Westdeutscher Beobachter, 12.11.1944) [???]

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Die letzte Kriegsphase | Propaganda und „Volkssturm“

Im Westdeutschen Beobachter abgedruckter Neujahrsaufruf von Gauleiter Grohé, 30.12.1944 (NS-DOK)

Das Jahr 1945 begann, wie das alte geendet hatte: In der ersten Januarhälfte prasselte ein wahres Feuerwerk von immer fantastischeren propagandistisch motivierten Lügen auf die Kölner Bevölkerung herab, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen und zugleich zum äußersten Einsatz anzutreiben.

„Kölner und Bonner Juden sollen das deutsche Volk umerziehen!“, tönte der Westdeutsche Beobachter am 4. Januar, und vielen, die die Dimensionen der am Judentum begangenen Verbrechen erahnten, wird angst und bange geworden sein. Was war, so die seitens der NS-Propaganda geschürte Unsicherheit, von Menschen, die man verfolgt, entrechtet, beraubt und vertrieben und deren Angehörige man ermordet hatte, anderes zu erwarten als Vergeltung. „Schwarze Wachsoldaten und jüdische Ärzte schikanieren das Aachener Barackenlager“, hieß es, und am 16. Januar: „Von den Negern Eisenhowers geschändet“.

Von angeblichen „wahnsinnigen Vernichtungsmethoden“ der Alliierten wurde ebenso berichtet wie von einer rein erfundenen „grauenvollen Wirklichkeit“ im bereits besetzen Gebiet. Dort sollten angeblich zehnjährige deutsche Kinder von Kriegsgerichten zum Tode verurteilt worden sein. Ein Londoner Pfarrer habe Rattengift geschickt, „um deutsche Kinder zu töten“. „Engländerinnen heulen: Rottet sie aus!“

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Die letzte Kriegsphase | Propaganda und „Volkssturm“

Zugleich versuchten die NS-Propagandisten, die katholisch geprägte rheinische Bevölkerung gezielt zu verunsichern. „Stalin beschimpft den Papst“, hieß es am 8. Januar noch vergleichsweise harmlos. „Priesterschlachten in Frankreich“, lautete zwei Tage später die Schlagzeile des Westdeutschen Beobachters. Eine Woche darauf sollte „das kommunistische Frankreich“ laut NS-Presse den Erzbischof von Besançon ermordet haben, kurz danach dessen Belgrader Amtskollege „als Volksbelustigung“ öffentlich gehängt worden sein.

Das NS-Regime warf den nahenden Alliierten all das vor, was es selbst seit 1933 und verstärkt während des Krieges in grausamer Perfektion praktiziert hatte: Man hatte die jüdische Bevölkerung verfolgt, sie mit Ratten gleichgesetzt und zum größten Teil ermordet, man hatte in öffentlicher Inszenierung Zwangsarbeiter und Jugendliche hingerichtet und man hatte Kirche und Priester verfolgt. Indem die für solche Untaten Verantwortlichen nun den Kriegsgegnern eine derartig menschenverachtende Brutalität zuschrieben, unternahmen sie einen letzten propagandistischen Versuch, sich selbst zu retten. Propaganda in seiner finalen Ausprägung.

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"Nur ruhig Blut bewahren, kleine Frau. Gerade spielt man im Radio vom lachenden Glück; warum soll es uns nicht auch lachen. Gewiss, es sieht böse aus, aber es wird wieder werden. So wie der Führer aus allem gesund hervorging, wird auch Deutschland genesen. Nun komme ich in die Heimat, um an der Seite der Kameraden jeden Flecken Boden zu verteidigen. Sollte dabei die tödliche Kugel treffen, nicht traurig sein, ich bin es auch nicht. Wir sehen uns ja wieder. Freunde, das Leben ist lebenswert. In der Hoffnung auf ein siegreiches Ende und damit verbunden ein Wiedersehen denke ich an das ‚Land des Lächelns‘. Viele Grüße und Küsse - Dein Junge" (Brief Günther Dünnwald von der Front an seine Mutter in Köln, 12.2.1945)

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"Am Nachmittag war wieder ein Angriff. Immer diese Schrecken und Angst um sein Leben zu haben, es geht wirklich nicht mehr lange so. Die meiste Zeit des Tages sitzen wir im Bunker, wir sind nervös und verängstigt. Das ist doch kein Leben mehr." (Tagebucheintrag Ursula Lindemann, 14.1.1945)

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Die letzte Kriegsphase

Verteidigung und Evakuierung

„Haltet den Rhein!“ – Propaganda-Plakat der deutschen Frontzeitung „Wacht im Westen“, Ende Februar 1945 (Reproduktion). „Standhalten“, „äußerste Tapferkeit“ oder „Schläge gegen den Feind“ wurde zu bestimmenden Schlagworten der letzten Kriegsphase.

Am 28. Februar 1945 forderte Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Josef Grohé den Volkssturm zur aussichtslosen Verteidigung Kölns auf: „Volkssturmsoldaten! Da ihr eure engere Heimat verteidigt, werdet ihr euch in glühendster Kampfentschlossenheit bewähren.“ Das verlangte am 2. März auch ein „Mit Waffe und Spaten“ überschriebener Artikel im Westdeutschen Beobachter: „Die Truppen kennen ihre Aufgabe, der Volkssturm tut seinen Dienst, greise Männer und heranwachsende Jugend unserer Stadt stehen gemeinsam in Abwehr des Gegners.“

Tags darauf aktivierte NSDAP-Kreisleiter Alfons Schaller den Volkssturm, dessen Angehörige sich vielfach in einer Zwickmühle befanden. Viele hatten bereits am Ersten Weltkrieg teilgenommen und erkannten als erfahrene Soldaten die völlige Sinnlosigkeit ihres Einsatzes. Auch die Tatsache, dass sie dabei zudem noch von oft recht zweifelhaften und nicht selten unfähigen Gestalten – häufig Ortsgruppenleiter und SA-Funktionäre – befehligt wurden, dürfte ihre Motivation kaum gesteigert haben. Dennoch sahen sich die meisten zum Volkssturm aufgerufenen Kölner genötigt, zumindest „vorläufig mitzumachen, weil es gefährlich ist, jetzt abzuhauen, solange die Partei uns noch bespitzeln kann“. Selbst als US-Truppen schon auf Kölner Boden standen, war Vorsicht geboten, konnte eine Abwendung vom Volkssturm doch als Fahnenflucht ausgelegt und sanktioniert werden.

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"Köln wird in sehr primitiver Weise in Verteidigungszustand versetzt. Man sagt, die Stadt sei als Festung erklärt und das Militär habe Anweisung, die Verteidigung ohne jede Rücksicht auf künstlerische Denkmäler durchzuführen. Es wird wohl zuletzt alles von dem Kommandanten der Stadt abhängen." (Tagebucheintrag Robert Grosche, 13.2.1945)

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"Die Tage, bis wir von den Amerikanern überrollt werden, sind nicht mehr viele. Draußen dröhnt unaufhörlich das Geschützfeuer, ein Fliegeralarm löst den anderen ab, wir sind ausgehungert und übermüdet, schlecht gekleidet, insbesondere schlechtes Schuhwerk, nasse Füße, durchgefroren, und dann sollen wir uns den hungrigen leeren Magen mit Bier und Schnaps füllen, damit wir nicht dran denken sollen, wie nahe wir dem Ende sind. Vielleicht wird man uns noch ankündigen, dass der Endsieg unmittelbar bevorsteht!" (Tagebucheintrag des Volkssturm-Angehörigen Hans Diefenbach, 24.2.1945)

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"Den Trumpf, den die Partei durch ihre terroristische Monopolgewalt in Händen hat und offenbar bis zum Extrem und bis zum Letzten auszunützen entschlossen ist, wird durch den völligen Mangel an elementarer Zivilcourage, der auch im Westen für die Deutschen, als Masse gesehen, charakteristisch ist, beinahe sanktioniert. In Köln erinnert die Volksstimmung an den September [1944], als es gang und gäbe war, dass jedermann, ob weiblich oder männlich, einander sagte, es sei sinnlos, den Krieg fortzusetzen." Bericht Generalkonsul Rudolf von Weiss, 25.1.1945)

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Die letzte Kriegsphase | Verteidigung und Evakuierung

Lindenthalgürtel Ende 1944 (NS-DOK)

Der innere Kölner Grüngürtel mit den Vororten von Braunsfeld bis Longerich einschließlich des Stadtwalds wurde im Frühjahr 1945 von einem Schützengrabensystem durchzogen, das seit Monaten durch Jugendliche und alte Männer im Schanzdienst ausgehoben worden war. Diesen Ring sollte nun ausgerechnet der bunt zusammengewürfelte und völlig unzureichend bewaffnete Volkssturm verteidigen, der durch ebenfalls überalterte Polizei- und Feuerwehrtruppen verstärkt wurde. Während letztere kurz darauf im Rahmen der Evakuierung ins rechtsrheinische Gebiet abgezogen wurden, entzogen sich zahlreiche Volkssturm-Männer, die man den US-Truppen entgegenschickte, ihrem unsinnigen Verteidigungsauftrag, wodurch sich die meisten Verbände schließlich von selbst auflösten. Als der deutsche Kampfkommandant die Volkssturmstellungen am 5. März besichtigte, fand er sie unbesetzt. Unter diesen Umständen wurde in Köln den vorrückenden Alliierten nur in vereinzelten Fällen Widerstand entgegengesetzt.

Zu der Zeit, als das geschah, waren amerikanische Truppenspitzen am 2. März bereits bis an den Kölner Stadtrand vorgerückt. Am Morgen dieses Tages folgte ein letzter schwerer Luftangriff, mit dem der vollmundig angekündigte deutsche Widerstand gebrochen und die eigenen Verbände geschützt werden sollten.

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"Am Nachmittag des 4. März hieß es: ‚ Die Reviere werden sofort aufgelöst, die Revierführer sammeln ihre Kräfte um 18 Uhr im Bunker Schnurgasse‘. Der nächste Tag beginnt mit dem Ausrüsten der [Volkssturm-] Kompanien. Ich rechne mit meinem Alter, Mitte 50, noch zu den jungen Männern und diese wirken, physisch bisher untauglich befunden, psychisch in langen Bombennächten zermürbt, fast apathisch. Als wir die Gewehre näher ansehen, erkennen wir fehlerhafte Beutewaffen aus den ersten Kriegsjahren, wozu die deutsche Munition nicht passt. So etwas für waffenunkundige Männer. Mit Handgranaten oder Panzerfäusten kann niemand umgehen. Wozu das alles? Dazu sagt jemand: ‚Jetzt weiß ich auch, was Wunderwaffen sind, damit wir uns wundern sollen, was wir mit dem Zeug anfangen können!‘ die ‚Truppen stehen, sind bewaffnet, also können sie gegen den Feind geworfen werden. So sind die Polizisten von gestern zu einer Wurfeinheit geworden." (Tagebucheintrag des Volkssturm-Angehörigen Otto Greve, 5.3.1945)

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"Am Westbahnhof ist der innere Grüngürtel zur Verteidigung hergerichtet. Zu beiden Seiten der Venloer Straße sind Maschinengewehrnester eingerichtet, und in den Grünanlagen, durch Buschwerk getarnt, sind Schützengräben ausgehoben. Die jungen Burschen sollen wohl hier den Feind abwehren. Als ob sie mit ihren alten dänischen Gewehren die anrollenden Panzer abschießen könnten. Militärischer Wahnsinn und nutzloses Opfer. Hitler und Genossen wollen das ganze deutsche Volk opfern, bevor sie ihr Leben lassen müssen." (Tagebucheintrag des Volkssturm-Angehörigen Hans Diefenbach, 2.3.1945)

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"Ein Bild des Jammers. Es ist lächerlich, mit diesen Leuten in die Schlacht zu gehen. Sie schleppen ihr Gepäck sogar mit. Der ganze Aufzug macht einen lächerlichen und zugleich ganz traurigen Eindruck." (Tagebucheintrag des Volkssturm-Angehörigen Hans Diefenbach, 4.3.1945)

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"Ich habe den Eindruck, dass die Sabotage des Volkssturms eine der wenigen Parolen war, die wirklich volkstümlich geworden ist. Die Genossen hier erheben den Anspruch - und sehr wahrscheinlich nicht völlig mit Unrecht - dass die schnelle und fast kampflose Kapitulation Kölns zum nicht unwesentlichen Teil darauf zurückzuführen war, dass der Volkssturm völlig versagte. Ein großer Prozentsatz der Volkssturmpflichtigen erschien überhaupt nicht an den Sammelplätzen; wo sie erschienen, liefen sie in Massen kampflos zu den Amerikanern über." (Bericht Werner Hansen aus Köln, 20.4.1945)

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Die letzte Kriegsphase | Verteidigung und Evakuierung

Propagandaaufruf an durchziehende Wehrmachtssoldaten im März 1945: „Ihr befindet Euch in einem Grenzgau voll gläubiger Menschen, die auch Bombenteppiche kennengelernt und tapfer überwunden haben. Verderbt Stimmung und Haltung nicht durch Weitergabe von Gerüchten und übertriebenen Erlebnisschilderungen.“ (koelnprogramm)

Aber selbst die für jedermann sichtbare völlige Aussichtslosigkeit der Lage brachte Gauleiter Grohé nicht von seinem Vorhaben ab, Köln entweder zu verteidigen oder ansonsten die Reste seiner Infrastruktur endgültig und nachhaltig zu zerstören. So ordnete er in seiner Eigenschaft als Reichsverteidigungskommissar die Vernichtung sämtlicher Lebensmittellager sowie die Sprengung von Wasser- und Stromversorgungsanlagen an.

Wenn auch keiner der mit der Verteidigung Kölns beauftragten militärischen Führer den Mut aufbrachte, eine kampflose Übergabe der Stadt in die Wege zu leiten , stieß Grohé zumindest mit seinen sinnlosen Zerstörungsabsichten auf Widerstand. Der Stadtkommandant Oberst de la Chaux lehnte entsprechende Forderungen ab, weil sie ausschließlich die Kölner Zivilbevölkerung treffen, nicht aber den Vormarsch der Alliierten beinträchtigen würden. Zum Glück behielt die Wehrmacht in den letzten Tagen und Stunden vor dem Einmarsch der US-Truppen in das linksrheinische Köln das Heft des Handelns halbwegs in der Hand. Das Verbot des Oberkommandos der Wehrmacht, Truppen ins Rechtsrheinische zu verlagern, blieb aber weiterhin in Kraft, weil auch am 5. März noch die Absicht bestand, die Stadt in jedem Fall zu verteidigen.

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Die letzte Kriegsphase | Verteidigung und Evakuierung

6. März 1945: Ein Flakgeschütz in Kölner Straßen, wo es im „Endkampf“ gegen die anrückenden Alliierten eingesetzt werden sollte. (Dr. Franz Rieder)

Am gleichen Tag unternahm Josef Grohé einen letzten Versuch, Köln zum Schauplatz eines „Endkampfes“ zu machen. Er erschien im Befehlsstand der Wehrmacht, um die „unbedingte Verteidigung Kölns mit den nach seiner Ansicht zur Panzerabwehr besonders geeigneten Volkssturmverbänden bis zum letzten“ einzufordern.

Die Situation erscheint – zumindest im Rückblick – aberwitzig. War Mitte Januar 1945 in einem Wochenbericht der NSDAP-Kreisleitung noch behauptet worden, in Köln stünden insgesamt 21 Volkssturm-Bataillone mit 66 Kompanien – insgesamt also mehr als 12.500 Mann – bewaffnet bereit, konnte Grohé nun lediglich zwei Bataillone mit insgesamt 1.200 Mann anbieten, von denen schließlich am späten Abend gerade einmal 60 tatsächlich zum Einsatz eintrafen.

Der verantwortliche Wehrmachtsgeneral lehnte unter Hinweis auf die völlige Unzulänglichkeit der von Grohé so gelobten „politischen Eliteverbände“ dessen Ansinnen rundweg ab, woraufhin der Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar den Bunker verließ und sich einige Stunden später mit einem Motorboot ins Rechtsrheinische absetzte.

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Die letzte Kriegsphase | Verteidigung und Evakuierung

Evakuierung von Frauen und Kindern aus Köln vor dem Severinstor am Chlodwigplatz. Foto aus der Zeitschrift „Signal“, Februar 1945 (NS-DOK)

Das hatten zahlreiche Kölnerinnen und Kölner bereits vorher und viele aufgrund eigener Entscheidung getan. Nachdem die Stadt am 26. Februar in die Reichweite der US-Artillerie geraten war, verließen tausende Frauen und Kinder auch ohne ausdrücklichen Evakuierungsbefehl die Stadt, um Schutz in den rechtsrheinischen Landkreisen zu suchen. Die Innenstadt war weitgehend entvölkert. Hatten sich am 13. November 1944 nach vagen behördlichen Schätzungen noch rund 240.000 der ehemals 770.000 Menschen im Stadtgebiet aufgehalten, waren es Mitte Dezember nur noch 160.000, Ende Februar 1945 dann nur noch 85.000.

Am 1. März verfügte Josef Grohé die sofortige „Umquartierung der Bevölkerung der linksrheinischen Ortsteile der Hansestadt Köln“. Die ersten Gruppen sollten die Stadt offenbar bereits am Abend des gleichen Tages verlassen, der gesamte Abwanderungsprozess bis zum Nachmittag des 2. März abgeschlossen sein. Neben dem letzten verbliebenen Rheinübergang über die Hohenzollernbrücke sollten in Merkenich, Niehl und Weiss Fähren zum Einsatz kommen. Diese Anordnung wurde durch den Luftangriff am 2. März aber gegenstandslos und eine geordnete Evakuierung des linksrheinischen Köln hinfällig. Obwohl die Alliierten die Restbevölkerung mit Flugblättern zum Verbleib im Linksrheinischen aufriefen, strömten dennoch Tausende über den Rhein.

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"Jetzt soll Köln von Frauen und alten Leuten geräumt werden. Einmütige Haltung der Bevölkerung: Wir gehen nicht. Ich werde mich verstecken und hoffe, dass sich Hermann auch rechtzeitig in Sicherheit bringt. Vorräte haben wir genügend, und Mutters Pullover hält mich warm. Also bitte keine Aufregung. Tut mir nur die eine Liebe und erhaltet Euch gesund. Folgt einem Räumungsbefehl nicht. Dann geht Ihr zu Grunde. Wenn nun länger keine Nachricht kommt, dann fürchtet nicht gleich das Schlimmste. Wir wollen und werden es überleben. Die Partei begegnet nur Spott- und Hohngelächter. Ich wünschte Euch den Mut und die innere Standhaftigkeit der Kölner." (Brief Elsbeth von Ameln an ihre Eltern, 2.3.1945)

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"Und nun ist es Nacht, ich sitze im Keller und heule. Ich will nicht weg von zu Hause zu Tante Elly und ihrer Familie nach Telgte. Ich kenne sie ja kaum und möchte bei den Eltern bleiben. Plün und Köbes, meine beiden Katzen und Jacky, unser Foxel, die ich durch den ganzen Krieg gerettet habe, trösten mich - sie kann ich auch nicht mitnehmen. - Ach, es ist Wahnsinn, aber ich komme nicht gegen die Eltern an und Hans meint auch, es sei besser für mich. Ich weiß doch nicht, ob wir uns Wiedersehen. Ich darf nicht dran denken und habe solche Angst. Ich bin verzweifelt." (Tagebucheintrag Ursula Lindemann, 3.3.1945)

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"Am Abend Marschbefehl der NSDAP erhalten, dass wir uns am 2.März um 5.30 Uhr morgens am Sammelplatz Parkstraße-Marienburger Straße mit Gepäck bis 30 kg pro Person einzufinden hätten und es im Treck dann nach Rath-Heumar ginge. Diesen Befehl haben wir nicht befolgt. Wir hatten gehört, dass die Amerikaner 12 km vor Köln stünden, auch hörten wir in der Ferne stärkeren Beschuss. Mein Vater musste bereits am 27.Februar nachts zur Kaserne, um Köln zu verteidigen. Es war Alarmstufe II." (Tagebucheintrag Resi Greven, 1.3.1945)

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"Heute Morgen ist der Räumungsbefehl für Frauen und Kinder durchgekommen. Es leisten aber am Mittag nur wenige Folge. In der Nacht gehen die schweren Waffen von Norden kommend nach der Aachener Straße über den Rhein zurück. Das sagt mir genug. Die Nacht sehr unruhig. Eine Großbatterie im Nordwesten in der Nähe des Vogelsangerhofs feuert wie besessen." (Tagebucheintrag Hans Diefenbach, 2.3.1945)

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Die letzte Kriegsphase

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Kölner Küche nach einem Bombeneinschlag (Historisches Archiv der Stadt Köln)

Köln, einst als „Rom des Nordens“ gelobt, hatte sich im Laufe des Krieges immer mehr in eine entvölkerte und unwirkliche Gespensterstadt verwandelt. Die angesichts einer derartigen Verwüstung tief beeindruckte westalliierte Presse sprach von einer „Trümmerwüste ohne Vorbild“ und – wie die Chicago Times es ausdrückte - von einer „perfekten Illustration dessen, was moderner Krieg bedeutet — totale Zerstörung, mit Überlebenden, die sich zu einer Existenz in Kellern und Höhlen gezwungen sehen“.

Zu diesem Zustand hatten die vorangegangenen sechs Monate maßgeblich beigetragen, in denen die US-Luftwaffe den Bombenkrieg in ungeahnter Intensität geführt und die Kölner Bevölkerung in tiefe Verzweiflung gestürzt hatte. Zahlreiche Familien waren bereits mehrmals ausgebombt und hatten ihre gesamte persönliche Habe verloren. Die hygienischen Verhältnisse waren katastrophal: Es gab kaum noch Wasser zur Körperpflege, geschweige denn zum Waschen der Kleider, die unter den katastrophalen Umständen nur selten gewechselt werden konnten. Daher hielten Läuse und Wanzen zunehmend Einzug in die nur unzureichend belüftbaren und daher entsprechend muffig-feuchten Luftschutzräume.

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"Auf der Kreuzung Langgasse/Breite Straße liegt ein toter Mann. Man hat ihm einen Zementsack über den Kopf gelegt. Es ist ein Arbeiter im blauen Kittel. Das Bild an diesem Straßenschnittpunkt übersteigt bei weitem alles, was wir an Furchtbarem bisher im Luftkrieg gesehen haben. Vier Straßenstücke, jedes mit meterhohem Schutt bedeckt, gewaltige Baublöcke, zertrümmertes Mauerwerk, stauen sich zu hässlichen Unformen auf, und im Schnittpunkt dieser Verwüstungslinien der einsame Tote. Nein, dieses Bild werden wir nie vergessen."(Tagebucheintrag Heinz Pettenberg, 3.3.1945)

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"Seit gestern hat der Donner der Frontgeschütze mächtig zugenommen, wohl infolge der großen Offensive der Engländer-Amerikaner. Flieger haben wir fast dauernd über uns, gestern den ganzen Tag Jagdbomber und vor allem Tiefflieger, die mit Bordwaffen und Bomben die Bahn bearbeiten. Man wird so abgebrüht dagegen, dass man sich an diese „Kleinigkeiten“ nicht mehr stört. Man macht seine Besorgungen dabei, schleppt sein Wasser heran und reagiert nur, wenn außer den Sirenen Flakwarnschüsse akute Gefahr melden." (Brief Ilse Oldemeyer an ihren Bruder Ernst, 24.2.1945)

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Die letzte Kriegsphase | AuflÖsung

Die Vorgebirgsstraße in Köln-Zollstock nach einem Bombenangriff (NS-DOK/Imperial War Museum)

Das andauernde „Maulwurfsleben“ führte dazu, dass die Menschen immer stärker unter Erschöpfung und Übermüdung litten und viele nur noch von dem Gedanken getragen wurden, auch den nächsten Bombenangriff wieder zu überleben. Dabei mussten sie mit den verbliebenen Kräften gut haushalten, um sie tagtäglich zur Sicherung des Überlebens einsetzen zu können.

Die verbliebenen Kölnerinnen und Kölner empfanden ihre Lage mit jedem Tag als hoffnungsloser. Vorausplanendes Handeln war in einer Zeit, in der der Ablauf eines Tages, ja einer Stunde, nicht mehr sicher kalkuliert werden konnte, längst völlig sinnlos geworden. Die permanenten massiven Eingriffe in jeden Bereich des persönlichen Lebens machte die Bevölkerung apathisch und stumpf, zugleich aber auch rast- und ruhelos.

Die Höhlen-, Keller- und Bunkerbewohner saßen verschmutzt und verstört, häufig in zusammengewürfelten Zwangsgemeinschaften in ihren Behausungen und warteten, dass die Luftangriffe aufhörten oder neue folgten und vor allem darauf, dass der Krieg endlich ein Ende nahm. Über den Tag hinaus machten sich nur noch wenige Gedanken. Und wenn, so kreisten diese wohl eher um metaphysische Fragen, die von Untergangs- und Endzeitstimmungen geprägt waren.

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"Ich bin so müde - von lauter Bunkersitzen! Adschki, ich habe manchmal solche Angst. Man hört und liest immer nur von Stunden, die noch härter und schlimmer für uns werden sollen als bisher. Dann überkommt mich eine mächtige Furcht - um Dich. Hätten wir doch endlich alles glücklich überstanden. Jetzt, im Bunker, hab’ ich ja immer so viel Zeit an Dich zu denken. Dann setze ich mich in ein Eckchen, schließe die Augen und träume von Dir und von unserer Zukunft. Natürlich will ich dann nur Schönes denken, alle hässlichen Gedanken stelle ich ganz in den Hintergrund - und wenn ich dann die Augen öffne, dann steht mir wieder das ganze Trostlose unserer Zeit vor Augen. Es ist zum Weinen. Wäre doch endlich einmal der Krieg zu Ende!" (Brief Anneliese van Kann an ihren Mann Andreas, 14.2.1945)

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"Mutter hat mich gebeten, zum Bunker in der Schnurgasse zu fahren, um Vater noch Verpflegung zu bringen. Das war mit dem Fahrrad eine Fahrt des Grauens mit schrecklichen Bildern meiner Heimatstadt, überall lagen hohe Schuttberge von eingestürzten Häusern. Die Severinstraße war ein hoher Trampelpfad über Steine, viele Umwege, vorbei an einem toten Pferd und einem toten Menschen. Es war unheimlich. Wenn ich nicht zu meinem Vater unterwegs gewesen wäre, wäre ich umgekehrt. Wie froh war ich drum, im Bunker, der völlig innen im Dunkeln lag, angelangt zu sein. Vater sagte mir, dass schon Kämpfe in Köln wären." (Tagebucheintrag Resi Greven, 5.3.1945)

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Die letzte Kriegsphase | AuflÖsung

Köln im Juli 1943: Nach einem Bombenangriff (NS-DOK/Imperial War Museum)

Von Widerstandswillen jedenfalls war in Köln spätestens seit dem Zusammenbruch der Ardennenoffensive kaum noch etwas zu spüren. Konsul von Weiss etwa beobachtete, „dass jedermann, ob weiblich oder männlich, einander sagte, es sei sinnlos, den Krieg fortzusetzen“.

Zugleich vermischten sich verschiedene Stimmungslagen und schufen ein Klima, das immer weniger mit Rationalität und nachvollziehbarer Logik zu tun hatte. So gerieten in Köln zunehmend auch die nahenden Alliierten ins Kreuzfeuer der Kritik – aber nicht etwa wegen ihrer fortgesetzten Bombardements, sondern weil man ihnen vorwarf, dass sie durch ihren verlangsamten Vormarsch dem Rheinland die Chance genommen hätten, zumindest in dieser letzten Kriegsphase „mit einem blauen Auge davonzukommen“.

Dabei störte es augenscheinlich wenig, dass auch die Kölner Bevölkerung in ihrer Mehrheit die ersten Erfolge der überraschenden Ardennenoffensive bejubelt hatten und anschließend so gut wie nichts tat, um den Krieg zu verkürzen.

Die letzte Kriegsphase | AuflÖsung

Nach dem Angriff vom 29. Juni 1943 (NS-DOK/Imperial War Museum)

Als sich Jupp Kappius, rechtzeitig emigrierter Angehöriger des „Internationalen Sozialistischen Kampfbundes“ (ISK), im Winter 1944/45 illegal von London auf den Weg ins Rheinland und ins Ruhrgebiet machte, musste er feststellen, dass hier trotz des bevorstehenden Kriegsendes bis in die Arbeiterschaft hinein alles andere als eine „revolutionäre Stimmung“ herrschte. „Im Großen und Ganzen“, so berichtete er, seien die Menschen den Krieg zwar „herzlich leid“, würden sich aber lediglich wünschen, „es möchte anders werden“.

„Sich selber aufraffen und es anders machen, dazu reicht es nicht.“ Diese Passivität rührte nicht nur daher, „weil keiner den Kopf hinhalten will, solange einer bereit steht, um ihm mit dem Knüppel darüber zu schlagen“, sondern war nach den Beobachtungen von Kappius auch Ausfluss einer ausgeprägten Rat- und Orientierungslosigkeit, die sich nach zwölfjähriger NS-Herrschaft mit ihrer weitgehenden Zerstörung alter Milieus und Verbindungen eingestellt hatte. Niemand, den er getroffen habe, so berichtete er desillusioniert, wisse, „was er tun könnte, wie er es tun könnte, mit wem er es tun könnte und mit was. Und er weiß vor allem nicht, wozu er es tun sollte“.

Die letzte Kriegsphase | Bilanz des Bombenkrieges

Zwei Männer tragen ihre Fahrräder durch die Trümmer der Kölner Innenstadt, März 1945 (Dr. Franz Rieder)

Nachdem Köln am Morgen des 2. März 1945 der letzte Bombenangriff des Krieges gegen Köln geflogen worden war, fiel die Gesamtbilanz des Luftkriegs erschreckend aus. Aus einem Schlussbericht der Westalliierten geht hervor, dass das britische Bomber Command vom Jahresbeginn 1941 bis zum 2. März 1945 insgesamt 9.093, die US-Airforce vom 27. September 1944 an 6.461 schwere Bomber gegen Köln eingesetzt hatten. Dabei wurden über der Stadt 151.000 Sprengbomben und 5.154.000 Brandbomben abgeworfen. In Köln selbst hatte man für den gleichen Zeitraum lediglich ein Viertel dieser Menge gezählt; die tatsächliche Zahl dürfte zwischen diesen Werten liegen.

Mit Beginn des deutschen Westfeldzuges war Köln Mitte 1940 zu einer „Frontstadt aus der Luft“ geworden und musste bis März 1945 allein 262 Angriffe über sich ergehen lassen. Eine Addition der Luftwarnungs-, Alarm- und Angriffszeiten ergibt für die Kriegszeit eine Gesamtdauer von mehr als 81 Tagen. Allein 1944 wurden in Köln 720 Alarme gezählt!

Entsprechend massiv waren die Zerstörungen. Vom Vorkriegsbestand von 58.000 Häusern mit 252.000 Wohnungen waren etwa 70 Prozent zerstört und nicht mehr bewohnbar, die gesamte städtische Infrastruktur lag am Boden, Strom, Wasser und Gas gab es nicht mehr und bis zu 20.000 Menschen hatten auf Kölner Boden den Tod gefunden. Die ehemals stolze rheinische Metropole galt als meist zerstörte Stadt in Westdeutschland.

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"Am Oberländer Ufer zwischen Schönhauser Straße und Bayenthalgürtel geriet ich unter starken Beschuss on Jagdbombern. Als diese abgezogen waren, fuhr ich schnellstens nach Hause, denn es war schon Alarm gegeben worden. Ich warf das Fahrrad gegen das Garagentor mit allem Brot und rannte schon unter dem Getöse von Bombern zum Bunker in der Marienburger Straße, wo meine Familie schon war. Das war gegen 10 Uhr. Kaum hatte ich die Tür des Bunkers erreicht, man wollte schon nicht mehr öffnen, wurde ich von einem Luftdruck erfasst und man hörte Bomben sausen. So erlebten wir den schlimmsten Angriff auf Köln mit schrecklichen Stunden. Wir waren uns einig, dass das wohl der letzte Angriff gewesen sein könnte." (Tagebucheintrag Resi Greven, 2.3.1945)

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"Heute früh um 10 Uhr der fürchterlichste Angriff, den wir je erlebt haben. Den ganzen Nachmittag weiter Beschuss, Tiefflieger, Bomben, wir wissen nicht was geschieht. Vielleicht sind die Amerikaner schon in der Stadt. Es war wirklich die Hölle, irgendwie anders als sonst, noch bedrohlicher. Danach Rauch, Trümmer und schwarze Wolken. Der Süden war nicht so betroffen, aber Hansel, der den Angriff am Ubierring erlebt hatte, verschüttet war, erzählte Grauenhaftes. Und nun geht es wohl so weiter, die Toten bleiben liegen, keiner kümmert sich um sie, wir sind verzweifelt. Dass man so etwas aushalten kann." (Tagebucheintrag Ursula Lindemann, 2.3.1945)

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Blick auf die Halle den Kölner Hauptbahnhof, Ende 1943/Anfang 1944: Wie der Hauptbahnhahnhof, so erlitten auch alle anderen Reichsbahn- und Straßenbahnanlagen sowie die übrigen Verkehrswege immer neuen und größeren Beschädigungen, die einen Transport von Lebensmitteln und Gebrauchsgütern wesentlich erschwerten. (NS-DOK)

Trotz der ungeheuren Zerstörungen gelang es den Alliierten erst in den letzten Monaten des Krieges, Köln als Verkehrs- und Wirtschaftszentrum weitgehend „auszuschalten“. War der Bombenkrieg gegen Deutschland also nichts als eine ungeheure Ressourcenverschwendung, die nur unwesentlich zur Verkürzung des Krieges beigetragen hatte? Diese häufig geäußerte Meinung wird zumeist damit begründet, dass die Wehrmacht erst dann im Kern getroffen worden sei, als durch den Luftkrieg die Treibstoffproduktion vernichtet, das Verkehrsnetz gelähmt und durch das Vorrücken der alliierten Bodentruppen immer mehr Rüstungsfabriken ausgefallen seien.

Tatsächlich hatte sich die alliierte Hoffnung, mittels „moral bombing“ die Bevölkerung zu zermürben, gegen das NS-Regime aufzubringen und dadurch ein schnelles Kriegsende herbeizuführen, als falsch erwiesen. Andererseits waren die Bomber für Großbritannien zunächst die einzige Waffe, mit der es Deutschland schaden konnte, weshalb insbesondere der verantwortliche Luftmarschall Harris an dem Prinzip, den Krieg allein aus der Luft zu gewinnen, verbissen festhielt.

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Die letzte Kriegsphase | Bilanz des Bombenkrieges

Blick auf den Neumarkt und St. Aposteln, März 1945 (NS-DOK)

Aber auch die Ansicht, der Bombenkrieg sei substantiell nutzlos gewesen, greift zu kurz. Auch wenn die deutsche Rüstungsproduktion lange auf hohem Niveau aufrechterhalten werden konnte, hatten die Luftangriffe erhebliche Folgen, die sich auf die Offensivkraft der Wehrmacht negativ auswirkten. Eine weitere Konsequenz des Bombenkriegs war von Beginn an eine besorgniserregende Zunahme von Erkrankungen, die vor allem auf die nervenaufreibenden und schlafraubenden Alarme zurückzuführen waren. All das führte zu erheblichen Beeinträchtigungen der Rüstungsindustrie. Auf Köln bezogen hieß das etwa, dass Klöckner-Humboldt-Deutz mit seiner kriegswichtigen Produktion von U-Boot-Motoren schon früh den Anforderungen hinterher hinkte und die Gottfried Hagen AG ihr Soll an U-Boot-Batterien nicht erfüllen konnte.

Außerdem absorbierte die deutsche Luftverteidigung ein erhebliches Maß an Menschenkraft und Produktionsmitteln. Auch wenn in Flak- und Scheinwerferbatterien wie im gesamten Fernmeldebereich zunehmend Frauen und Jugendliche die Soldaten ersetzten, so verschlang sie doch ein großes Potential an Waffen, Munition, Geräten und Personal, was die Fronten zumindest indirekt schwächte.

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Blick von der zerstörten Breite Straße auf den Dom (NS-DOK/Imperial War Museum)

Die psychischen Auswirkungen des Luftkriegs schließlich entziehen sich einer quantitativen Erfassung und Bewertung. Die ständige Todesangst, der – oft mehrfache – Verlust der Wohnung, die immer länger werdenden Nächte und ab Herbst 194 auch Tage in den Luftschutzkellern und Bunkern: All das musste die Leistungsfähigkeit der Menschen auf Dauer beeinträchtigen. Außerdem verschlangen die permanenten Wiederaufbauarbeiten erhebliche Ressourcen, die ansonsten direkt dem Rüstungssektor zugutegekommen wären. Dies alles und zahlreiche weitere Gründe sind Beleg dafür, dass der alliierte Bombenkrieg seine Ziele zwar bei weitem nicht erreichte, die deutsche Kriegsmaschinerie jedoch personell wie materiell erheblich beeinträchtigte.

Natürlich konnte Deutschland den Krieg nicht gewinnen. Aber man wird - ohne zu spekulativ zu sein – wohl sagen können, dass sich der Krieg ohne den Einsatz der alliierten Bomberverbände wahrscheinlich räumlich noch weiter ausgedehnt, in jedem Fall aber zeitlich verlängert hätte.

Kapitel 2: Der Einmarsch

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