»Ich befolge das Gesetz« – Ein zum Rucksack umfunktionierter Pappkarton weist ironisch-provokativ auf die zahlreichen Verbote hin, um 1934/35 © Jugendhaus Düsseldorf, AJDH 09-006-017-01
»Ich befolge das Gesetz« – Ein zum Rucksack umfunktionierter Pappkarton weist ironisch-provokativ auf die zahlreichen Verbote hin, um 1934/35 © Jugendhaus Düsseldorf, AJDH 09-006-017-01
Die ersten Jahre der NS-Herrschaft waren im Jugendbereich geprägt von immer neuen Einschränkungen und Verboten. Alle Gruppen, die außerhalb der Hitlerjugend standen, wurden öffentlich verunglimpft, zur Auflösung gezwungen oder verboten und deren Angehörige so kriminalisiert.
Nach dem Verbot der Jugendorganisationen der Arbeiterbewegung unmittelbar nach der NS-Machtübernahme wurde in schneller Folge gegen alle übrigen Gruppierungen vorgegangen.
Viele Jugendliche traten daraufhin der Hitlerjugend bei. Andere blieben jedoch ihren Überzeugungen treu und ließen sich auch durch Verbote und Strafandrohungen nicht von ihrem Weg abbringen.
Angesichts der übermächtig werdenden Hitlerjugend schlossen sich im März 1933 mehrere große Jugendbünde zum Großdeutschen Bund zusammen. Diese Zweckgemeinschaft unter der Führung von Admiral von Trotha sollte mit immerhin rund 50.000 Mitgliedern die Eigenständigkeit der Bünde wahren und ein konservatives Gegengewicht zur Hitlerjugend schaffen.
Am 17. Juni 1933 wurde Baldur von Schirach zum »Jugendführer des Deutschen Reiches« ernannt. Als erste Amtshandlung verkündete er noch am gleichen Tag die Auflösung des Großdeutschen Bundes. Der Bund setzte dem keinen Widerstand entgegen.
Trothas letzter Befehl erging am 28. Juni 1933: »Die Gruppen nehmen sofort von sich aus die Eingliederung in die Formationen der Hitlerjugend vor.«
Mitglieder der Dortmunder SAJ auf »privater« Fahrt, nach 1933 © Archiv der Arbeiterjugendbewegung, 02-2291-10
Die Organisationen der Arbeiterjugend wurden unmittelbar nach der NS-Machtübernahme zerschlagen. Angesichts der rücksichtslosen Verfolgung von Kommunisten hatte deren Jugendverband KJVD keine Überlebenschance.
Auch die sozialdemokratischen Organisationen standen von Anfang an unter Druck des NS-Regimes. Ihre Heime und Zeltlager wurden überfallen, Gruppen und Mitglieder verprügelt. Nach der Wahl vom 5. März 1933 wurde das »Jungbanner« im gesamten Deutschen Reich verboten.
Die »Sozialistische Arbeiterjugend« (SAJ) existierte offiziell noch bis Ende April 1933. Ihre Führung rief aber bereits am 3. April zur »Besonnenheit« auf und legte den Jugendlichen nahe, sich in lockeren, eher privaten Jugendgruppen zusammenfinden. Die meisten folgten diesen Anweisungen. So wurde der Hitlerjugend durch die rund 600.000 sozialdemokratisch organisierten Jugendlichen kein wirksamer Widerstand entgegengesetzt.
Ortsgruppe Köln des »Bundes deutsch-jüdischer Jugend« (BDJJ) beim Ausflug ins »Haus Berta« in Dorsten, Winter 1934/35 © NS-DOK, Köln
Die fast 100 jüdischen Jugendbünde wurden 1933 zunächst nicht verboten, sondern ab November im »Reichsausschuss für jüdische Jugendverbände« zusammengefasst. So glaubte das NS-Regime die jüdischen Jugendbünde besser kontrollieren und gezielt isolieren zu können. Außerdem sollten die auf eine Auswanderung gerichteten Bestrebungen gefördert werden.
Sämtliche Aktivitäten der Verbände mussten nun über den Reichsausschuss beantragt werden. Das Tragen einer Kluft,
geschlossenes Auftreten, Aufmärsche oder gemeinsames Zelten wurden verboten und die Einhaltung der Bestimmungen besonders scharf überwacht.
Bis Ende 1936 erfolgte das Verbot sämtlicher nicht-zionistischer Bünde. Erlaubt blieben reine Auswanderungsorganisationen. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurden bis auf den »Hechaluz« alle noch bestehenden jüdischen Jugendbünde offiziell aufgelöst.
Klassenfoto einer hessischen Oberschule um 1924, abgebildet sind etwa 1908 geborene Schüler und Schülerinnen mit Schülermützen © Privat
»Gegen Klassendünkel und Klassengeist« war der Artikel in der Mai-Ausgabe 1934 der »Fanfare« überschrieben, in dem über die (angebliche) freiwillige Verbrennung von rund 300 Schülermützen in Darmstadt am 22. April 1934 berichtet wurde. Ein HJ-Führer erklärte: »Wir kennen nur eine Kameradschaft, nämlich (…) eine Kameradschaft im braunen Ehrenkleid Adolf Hitlers und brechen deshalb bewusst mit jedweder liberalistischen Tradition.« Die Fanfare, Mai 1934
Schüler höherer Schulen trugen seit dem 19. Jahrhundert Mützen, an deren Farben und Bändern man nicht nur den Status als Gymnasiast, sondern auch dessen jeweilige Schule und die Klasse ablesen konnte. Diese Mützen galten der Hitlerjugend als »Ausgeburt des Klassendünkels«, weshalb deren Abschaffung propagiert wurde.
Es kam bereits seit Mitte 1933 an vielen Orten zur öffentlichen Verbrennung oder sonstigen Vernichtung solcher Mützen. Damit sollte der Gedanke der »Volksgemeinschaft« zum Ausdruck gebracht werden, die angeblich keine sozialen Unterschiede kenne.
Die Mützen wurden vom NS-Regime nie verboten. Noch 1936 betonte die Hitlerjugend ausdrücklich, dass das Tragen erlaubt sei. Sie appellierte jedoch an die Schüler, »den Rest des alten Kastengeistes« freiwillig abzulegen. Nach und nach verschwanden sie so aus der Öffentlichkeit.
Mit dem Machtantritt des NS-Regimes setzte für die konfessionellen Jugendverbände eine von hoher Anpassungsbereitschaft geprägte Phase zwischen Hoffen und Bangen ein. Angesichts der Wirtschaftskrise überwog zunächst trotz aller ideologischer Differenzen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und eine Kooperation mit der Hitlerjugend.
Die machte die konfessionellen Gruppen jedoch allein schon wegen deren Größe schnell als stärksten Gegner bei der Durchsetzung ihres Totalitätsanspruchs aus. Deshalb gab es bereits seit Frühjahr 1933 erste Versuche der Reichsjugendführung, insbesondere die katholischen Verbände durch Einschränkungen und Verbote massiv in ihrer Arbeit zu behindern.
Ende Juni/Anfang Juli 1933 sahen sich insbesondere katholische Gruppen reichsweit mit willkürlichen Beschlagnahmungen ihres Vereinseigentums und vielfach auch der Besetzung ihrer Heime konfrontiert. Außerdem wurde mit dem Düsseldorfer Jugendhaus die Zentrale des Katholischen Jungmännerverbandes (KJMV) vorübergehend durch die Gestapo geschlossen und das Erscheinen der Verbandszeitschriften verboten.
Die Verantwortlichen des KJMV waren von den Maßnahmen überrascht, denn die Verhandlungen zwischen
Reichsregierung und Vatikan über ein Konkordat standen kurz vor dem Abschluss. Am 5. Juli 1933 untersagte Reichs jugendführer Baldur von Schirach dann auch sämtlichen Einheiten der Hitlerjugend, Mitglieder anderer Jugendbünde zu belästigen.
Auch wenn Beschlagnahmungen und Verbote in den folgenden Tagen zurückgenommen wurden, war die Aktion ein erster deutlicher Beleg für die zu erwartende Härte und Rücksichtslosigkeit in den kommenden Auseinandersetzungen.
»Auflösung sämtlicher katholischer Jugendorganisationen!!!!!!!
Das war ein Schlag! Am Sonntag, den 3. Juli begab ich mich mit Josef, Otto u. Rolf in die 1/2 7 h-Kirche. (…) Als wir an der Kirche anlangten, stürmten unsere Kameraden auf uns ein. »Wir sind verboten«, »wißt ihr es schon«, so schwirrte es von allen Seiten. Wir waren sprachlos u. glaubten es kaum. (…) Falls das Verbot nicht aufgehoben werden sollte, hatten wir die Absicht, eine Pfarrjugendgemeinschaft zu gründen, um so weiterhin mit unseren Kameraden in feiner Gemeinschaft leben zu können.«
»Aufhebung des Verbots
Am 8. Juli 1933 rollte wohl jedem von uns ein großer Quaderstein vom Herzen, als er in der Zeitung die Aufhebung des Verbots las. Nun konnten wir wieder von neuem an die Arbeit gehen u. uns konnte es auch nicht viel schaden, wenn die Bundestracht immer noch verboten war.«
Die »Gelbe Horde« der katholischen St. Georgs-Pfadfi nder (DPSG) aus Essen-Rüttenscheid vor dem Kluftverbot und die »Rote Horde« danach, 1933 und 1935 © NS-DOK, Köln
Es zeigte sich schnell, dass auch das am 20. Juli 1933 unterzeichnete Konkordat den katholischen Jugendbünden keinen ausreichenden Schutz bot. Stattdessen er öffnete die Reichsjugendführung nach der Eingliederung der evangelischen Jugend eine Offensive gegen die katholischen Verbände und wurde dabei durch staatliche, kommunale und parteiliche Instanzen unterstützt.
Im katholischen Westen Deutschlands wurde bereits im Februar und März 1934 per Polizeiverordnung »jedes
geschlossene Auftreten in der Öffentlichkeit, das Führen von Fahnen und Wimpeln, das Tragen von Bundestrachten, Kleidungsstücken und Abzeichen« sowie »jede sportliche und volkssportliche Betätigung« untersagt. Das nunmehr verbotene Tragen bestimmter Kleidungsstücke wurde zum häufi gsten »Delikt« katholischer Jugendlicher.
Bald waren Prozessionen und andere innerkirchliche Veranstaltungen die einzige legale Möglichkeit für katholische Jugendgruppen, geschlossen aufzutreten.
Nach den meist nur regional wirksamen Verboten und Einschränkungen stellte eine Anordnung des ReichsführersSS und Chefs der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, vom 23. Juli 1935 einen reichsweiten Einschnitt dar. Die Freiheit der konfessionellen Jugendverbände wurde stark einschränkt.
Jegliche nicht eindeutig kirchlichreligiöse Betätigung war künftig verboten. Das Tragen von Kluft und Abzeichen, das auf Zugehörigkeit zu konfessionellen Jugendverbänden schließen ließ, wurde untersagt. Zugleich wurde das Verbot gemeinschaftlichen Wanderns und Aufmarschierens in der Öffentlichkeit sowie des Mitführens von Fahnen, Bannern und Wimpeln auf das gesamte Reichsgebiet ausgedehnt. Wer das Verbot nicht befolgte, konnte nun mit »Zwangsgeld oder Zwangshaft« bestraft werden.
Nach Juli 1935 wurden die ohnehin schmalen Nischen für Aktivitäten katholischer Jugendverbände weiter beschnitten. Der KJMV büßte durch die Beschränkungen an Attraktivität ein und verlor viele Mitglieder an die Hitlerjugend.
Anfang 1939 erfolgte der letzte Schlag gegen den Katholischen Jungmännerverband:
Am 26. Januar 1939 verfügte wiederum Heinrich Himmler als Chef der deutschen Polizei dessen endgültige Auflösung.
An die Stelle der zuvor so aktiven Jugendverbände rückte nun eine pastoral orientierte Jugendseelsorge in den einzelnen Pfarreien. Die katholische Jugendarbeit musste sich künftig allein auf die »Pfarrjugend« konzentrieren.
»Eure Stunde ist gekommen…« ist diese Zeichnung im HJ-Blatt »Die Fanfare« im Januar 1934 unterschrieben. Die in der Überschrift des zugehörigen Artikels zum Ausdruck gebrachte Warnung war unmissverständlich: »Glaube keiner, daß die Jugend, die den Namen des Führers trägt, die die Einheit der deutschen Jugend erkämpft hat, sich diese durch krankhaften Ehrgeiz ehemaliger bündischer Führer zerstören läßt.« Die Fanfare, 2. Januar-Ausgabe 1934
Alle Jugendlichen außerhalb der Hitlerjugend wurden von der Reichsjugendführung argwöhnisch überwacht. Dabei hielt man sich nicht lange mit Definitionsversuchen und Ursachenforschung auf. All jene, die sich nicht einfügen wollten und nicht eindeutig dem konfessionellen Bereich zuzuordnen waren, galten als »bündisch« und ihr Verhalten als »bündische Umtriebe«.
In Westdeutschland kam es ab 1935 zu einer derart hohen Zahl »wilder Cliquenbildungen«, dass zu deren Bekämpfung auf Initiative der Gestapo in Düsseldorf eigens eine »Zentralstelle West« eingerichtet wurde. Mit ihrer Hilfe sollte versucht werden, solche Erscheinungen zu bekämpfen. Hierzu wurden Verbote erlassen und Kontrollinstanzen eingerichtet.
Koblenzer Hitlerjugend vor der Fahrt zur »Schlageter-Feier« in Düsseldorf, Mai 1933 © NS-DOK, Köln Das äußere Erscheinungsbild der Gruppe wirkt nicht nur recht heterogen, sondern angesichts der zahleichen Barette auch noch sehr bündisch inspiriert.
Ab 1933 wurden die Gruppen der bündischen Jugend nach und nach verboten oder durch Schikanen zur Auflösung gezwungen. Viele ihrer Mitglieder traten daraufhin der Hitlerjugend, insbesondere dem Jungvolk bei. Dort verbreiteten sich entsprechende Einflüsse im erheblichen Maße. Dem versuchte man seit spätestens Mitte 1935 durch entsprechende Verbote und die Androhung harter Strafen zu begegnen.
»Sonderbefehl an alle Fähnleinführer« des Berliner Gebietsführers Artur Axmann, von Herbst 1935
© Archiv der deutschen Jugendbewegung, A 187 Nr. 122
Mit diesem Schreiben verbot Axmann jedes Tragen bündischer Kleidung und Abzeichen sowie die
Nutzung bündisch inspirierter Gegenstände (z.B. Koten) oder Liederbücher.
Als »bündisch« galten in den Anfangsjahren des NS-Regimes jene Jugendlichen, die vor 1933 einer der zahlreichen Gruppierungen der Bündischen Jugend angehört hatten. Dabei wurden vor allem die dj.1.11 und der Nerother Wandervogel als »gefährlich« eingestuft.
Die Reichsjugendführung versuchte, die in diese Richtung orientierten Jugendlichen zu überwachen und zu disziplinieren. Am 4. Februar 1936 wurden alle noch bestehenden bündischen Gruppen endgültig verboten und jede Aktivität zur Weiterführung unter Strafe gestellt. Das Auf-Fahrt-Gehen, das Singen bestimmter Lieder oder das Tragen von Abzeichen war nun als »bündisch« offiziell verboten. Damit gab es eine Grundlage, diese Jugendlichen zu verhaften und zu kriminalisieren.
Foto aus den Ermittlungsakten der Gestapo gegen unangepasste Jugendliche aus Wuppertal, 1936
© LAV NRW R, Ger Rep 117-230.
Mit großer Akribie versuchte man die Jugendlichen zu identifizieren, um ihnen anschließend »bündische Umtriebe« und damit Verstöße gegen das Verbot der bündischen Jugend nachzuweisen, der sie zumeist nie angehört hatten.
Seit etwa 1934/35 taten sich in den Großstädten Jugendliche zu lockeren informellen Gruppen jenseits der Hitlerjugend zusammen. Die NS-Überwachungsorgane standen diesem Phänomen zunächst ratlos gegenüber.
Um überhaupt gegen diese oft als »Navajos«, in Kriegszeiten als »Edelweißpiraten« bezeichneten Jugendlichen vorgehen zu können, wurde eine nicht existente Verbindung zur verbotenen bündischen Jugend konstruiert. Die Gestapo sprach daher von »bündischen Umtrieben«, die es zu verfolgen und zu bestrafen gelte.
Als »Straftat« galt bereits, wenn eine solche Gruppe Jugendlicher eine Wanderung unternahm. Schon die »Freude am ungebundenen Fahrtenleben« wurde so zum Delikt. Den Jugendlichen wurde zum Vorwurf gemacht, sie wollten »ein vollständig ungebundenes Leben führen«. Als völlig inakzeptabel galt, dass sie sich »nicht den Anordnungen von Erwachsenen und überhaupt keinem festen Führer unterordnen« wollten.
Das »Auge des Gesetzes« wachte seit 1933 über allem jugendlichen Tun: Zeichnung aus dem Tagebuch eines Essener St.-Georg-Pfadfinders, um 1934/35 © Bistumsarchiv Essen, Nachlass Klawunn
Der gesamte Jugendbereich unterlag seit der NS-Machtübernahme einer permanenten Überwachung und Verfolgung. Hiervon waren alle Gruppen und Verhaltensweisen betroffen, die den neuen Machthabern und insbesondere der Reichsjugendführung nicht genehm waren.
So total der Führungsanspruch der Hitlerjugend war, so total sollte auch die Kontrolle ausfallen. Daher wurden all jene, die sich abseits der Hitlerjugend hielten, streng überwacht.
Es kam zu einer engen Kooperation von Partei, Hitlerjugend, Gestapo, Polizei und Justiz. Das führte dazu, dass alle Jugendlichen, die von den NS-Normen abwichen, in ein kriminelles Licht gerückt wurden.
Schon Mitte 1933 rief die Reichsjugendführung mit dem HJ-Streifendienst ihr eigenes Kontroll- und Überwachungsorgan ins Leben. Zunächst als Instrument gedacht, das der Überprüfung der eigenen Mitglieder dienen sollte, wurden die Kompetenzen des Streifendienstes zügig ausgeweitet. Damit entwickelte er sich in Fragen des Jugendverhaltens zur höchsten Aufsichtsinstanz.
Ende 1935 ordnete die Reichsjugendführung eine enge Zusammenarbeit zwischen HJ-Streifendienst und dem SS-Sicherheitsdienst an. Seit August 1937 zeichnete der HJ-Streifendienst für die Überwachung und Bekämpfung aller »politischen und kriminellen Vorgänge innerhalb der deutschen Jugend« zuständig und galt seit Herbst 1938 offiziell als Nachwuchsorganisation der SS. Weil ihm ein direktes Eingreifen untersagt war, war der Streifendienst auf eine enge Kooperation mit der Polizei angewiesen.
»Die Polizei steht zur Hitlerjugend«: Transparent am Essener Polizeipräsidium während der »HJ-Frühjahrsoffensive« im Gebiet Niederrhein, Mai 1935. Hitler-Jugend-Illustrierte Die Fanfare, Mai 1935
Die Hitlerjugend wurde in ihrem Anspruch einer totalen Kontrolle nicht nur von der Gestapo, sondern auch von der Ordnungspolizei unterstützt. Die Kooperation war eng und schlug sich in gemeinsamen Aktionen nieder.
Bei einer großangelegten Razzia gegen Kölner »Navajos« waren im Oktober 1937 mehrere Streifen beteiligt. Sie setzten sich jeweils aus Angehörigen des HJ-Streifendienstes, der Ordnungspolizei und der Gestapo zusammen. So konnten die unangepassten Jugendlichen aufgespürt, verhaftet und gleich zum Verhör in die Gestapo-Zentrale gebracht werden.
Die Justiz, das heißt Staatsanwaltschaften und Gerichte, stellte das letzte Glied in der Verfolgungskette dar. Hier wurde über Verurteilung oder Freispruch entschieden. Eine zentrale Rolle kam dabei den »Sondergerichten« zu. Sie waren im März 1933 eingerichtet worden, um durch harte und schnelle Urteile eine abschreckende Wirkung zu erzielen.
Gegen die Urteile der Sondergerichte konnte keine Berufung eingelegt werden. Da die dort tätigen Staatsanwälte und Richter unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt wurden, konnte von Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Justiz keine Rede mehr sein. Jedes Verfahren vor den Sondergerichten konnte drakonische Haftstrafen nach sich ziehen.
»Bei einem Bauer Schmitzhöhe nach dem man uns aus der Jugendherberge Köttingen geworfen hatten«, Josef Koll, (3. v.r.) © NS-DOK, Köln
Das Kölner Landgericht am Appellhofplatz, an dem im März 1933 das erste Kölner Sondergericht eingerichtet wurde. Das Gebäude lag unmittelbar gegenüber dem Sitz der Kölner Gestapo. So war ein »kurzer Dienstweg« gewährleistet. © NS-DOK, Köln
Ort der Inhaftierung: »Arbeitsanstalt« Brauweiler, die der Kölner Gestapo als Hilfsgefängnis diente © Verein für Geschichte und Heimatkunde Pulheim
Nach Untersuchungshaft und Verurteilung wurden unangepasste Jugendliche an unterschiedlichen Orten inhaftiert. Ob kurzeitig etwa in »Arbeitsanstalten«, für längere Zeit in Jugendgefängnissen oder während des Krieges in sogenannten »Wehrertüchtigungs-Bewährungslagern «: All diese Einrichtungen waren für die Betroffenen Orte des Schreckens. Viele von ihnen litten bis zum Lebensende unter den psychischen Folgen von Haft, Misshandlungen und Angst.