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Edelweißpirat

Die Jugendpolitik des Nationalsozialismus, die beabsichtigte, alle Kinder und Jugendlichen in die Hitlerjugend hineinzuzwängen, um sie dort nach Geschlechtern getrennt ideologisch zu indoktrinieren und militärisch zu drillen, rief bei manchen Jugendlichen Protest und Widersetzung hervor. Dies galt insbesondere für Jugendliche aus Arbeiterkreisen und aus der Bündischen Jugend.

Vor allem in den Städten tauchten nach 1933 lose Zusammenschlüsse von Jugendlichen auf, die ihre unangepasste Haltung durch betont lässige Kleidung, auffällige Frisuren, Hören von "undeutscher" Musik oder durch gemeinsame gesellige Unternehmungen (besonders Freizeitfahrten) von Jungen und Mädchen demonstrierten. Eines der Erkennungsmerkmale dieser Jugendlichen war, besonders im Rheinland, ein Edelweißabzeichen, das unterm oder am Jackenaufschlag getragen wurde.

Die Verweigerungshaltung führte bald zu Konflikten mit der HJ. Bisweilen kam es sogar zu offenen Straßenschlachten zwischen dem Streifendienst der HJ und den Jugendgruppen. Einige Jugendliche gingen - allerdings erst später unter den chaotischen Bedingungen der Endkriegsphase - weiter und verübten Sabotageakte auf Rüstungsbetriebe oder Anschläge auf NSDAP-Funktionäre.

Es kam zur pauschalen Kriminalisierung der widerständigen Jugendlichen durch die NS-Verfolgungsbehörden, die sich beispielsweise 1944 in der Herausgabe von "Richtlinien zur Bekämpfung jugendlicher Cliquen" niederschlug.


Mit den Prozessen gegen die „Navajos“ Ende 1937/Anfang 1938 bricht für Köln die Quellenüberlieferung zum Thema „Unangepasstes Jugendverhalten“ ab, um erst mit den Ermittlungen gegen „Edelweißpiraten“ Ende 1942 wieder einzusetzen. Alles das, was in der Zwischenzeit geschah, liegt bis heute weitgehend im Dunkeln.

So ist unklar, ob die Aktionen der Gestapo gegen die „Navajos“ tatsächlich so nachhaltige Wirkung zeigten, wie die Quellen nahe legen, oder ob es – was wahrscheinlicher ist – nicht doch weiterhin in großem Umfang unangepasstes Jugendverhalten in Köln gab.

Als sicher kann gelten, dass der Zweite Weltkrieg auch in den Jugendgruppen tiefe Umwälzungen auslöste. Ein großer Teil der Älteren wurde nun zur Wehrmacht eingezogen, womit viele Gruppen ihr Zentrum verloren. Es dauerte einige Zeit, bis solche Lücken geschlossen waren.

Dann aber bildeten sich Gruppen von zum Teil beachtlicher Größe, deren Hauptinteresse zwar nach wie vor dem Wandern und einem gewissen Grad an Freiheit jenseits der HJ galt, die aber durchaus auch zu politisch motivierten Aktionen bereit und fähig waren. Dabei ist es in jedem Einzelfall schwer, eindeutig zwischen jugendlichem Übermut und bewusster politischer Handlung zu unterscheiden.

Ein weiteres Kennzeichen dieser Gruppen von „Edelweißpiraten“ – auch hier ist die genaue Herkunft des Namens bislang ungeklärt – war es, dass sie Gaststätten als neue Art von Treffpunkten nutzten. Das war insbesondere auf die kriegsbedingte Jugendschutzverordnung zurückzuführen, die den Aufenthalt auf Straßen und Plätzen bei Einsetzen der Dunkelheit verbot.


Nachdem im Dezember 1942 zahlreiche Kölner Edelweißpiraten durch die Gestapo verhaftet worden waren, endete diese Phase des Edelweißpiratentums“ in Köln. Es standen aber bereits Jüngere bereit, die nun ihrerseits Gruppen bilden und das pflegen, was sie bei den Älteren beobachtet haben. Diese Gruppen scheinen allerdings nicht mehr den Grad an Geschlossenheit zu erreichen, der die Gruppen der Jahre 1941/42 auszeichnete.


Die Gruppen unangepasster Jugendlicher der Jahre 1943/44 unterschieden sich in wesentlichen Punkten von ihren „Vorgängern“ der ersten Kriegsjahre. Weitaus stärker als letztere waren die 15- bis 17-Jährigen seit 1943 vom Bombenkrieg und der sich abzeichnenden deutschen Niederlage geprägt.

Die zunehmende Zerstörung des Lebensumfelds und die damit einhergehende Auflösung bisheriger Moralvorstellungen bestimmten die Sicht und das Handeln der Heranwachsenden, die in einer Welt aufwuchsen, die ihnen in mehrfacher Hinsicht keine Grenzen, aber auch keine Perspektiven mehr aufzeigen konnte.

Angst spielte eine immer geringere Rolle. Wer tagtäglich den Tod vor Augen hatte, verlor auch den Respekt vor der Gestapo. Außerdem vermischten sich im Köln der letzten Kriegsmonate sehr unterschiedliche Menschen und Gruppen, die eins gemein hatten: Sie waren untergetaucht, lebten illegal und taten naturgemäß alles, um ihr Überleben zu sichern. So skrupellos, wie die Gestapo und andere NS-Institutionen gegen sie vorgingen, so rigoros verteidigten sie sich. „Normale“ Wertmaßstäbe waren unter solchen Bedingungen nicht mehr anzulegen.

Außerdem lösten sich Gruppenzusammenhänge immer stärker auf. Ende September 1944 berichtete die Kölner Gestapo, dass die „Bearbeitung von Vorgängen gegen sogenannte Edelweißpiraten“ wegen „kriegswichtiger“ Ermittlungen zurückgestellt würden. Den entsprechenden Handlungsbedarf schätzte sie zu diesem Zeitpunkt aber ohnehin nicht mehr hoch ein: „Der größte Teil der Jugendlichen befindet sich z.Zt. am Westwall, wodurch die Betätigung im Sinne der E.P. merklich nachgelassen hat.“



 

Juli 1942: Ortsgruppenleiter erstattet Anzeige wegen "Zersetzungserscheinungen" in der HJ
September 1942: Überlokale Ansätze: Treffen zwischen Kölner und Düsseldorfer Jugendlichen
13. September 1942: Über Nacht: Alarmierende Wandbeschriftungen in Köln
Mitte Oktober 1942: Gründung des Clubs der Edelweißpiraten
4. Oktober 1942: HJ-Streife kontrolliert Edelweißpiraten auf Fahrt
16. Oktober 1942: Verabredung zum Sprengstoffdiebstahl?
17. Oktober 1942: Weindiebstahl auf Edelweißpiraten-Fahrt
14. November 1942: Geburtstagsfeier unter Edelweißpiraten
21. November 1942: "Leistungswoche der Bündischen Jugend" - Illegale Flugblätter in Köln!
1. Dezember 1942: Gestapo ermittelt wegen "Vorbereitung zum Hochverrat, Bündische Betätigung u.a.m"
2. Dezember 1942: Auftakt zu Verhaftungswelle: Jugendlicher in Merheim-linksrheinisch festgenommen
4. Dezember 1942: Festnahmewelle in Kölner Gaststätten: Harter Schlag gegen Edelweißpiraten
4. Februar 1943: Ermittlungen gegen Kölner Edelweißpiraten
15. März 1943: SS geht gegen Edelweißpiraten vor
Pfingsten 1943: Gestapo verhaftet Mitglieder der "Gruppe der Edelweißpiraten"
23. Juni 1943: Oberstaatsanwaltschaft erhebt Anklage beim Sondergericht Köln gegen Kölner Edelweißpiraten
12. September 1943: Gestapo-Razzia bei einer Schiffstour nach Königswinter
15. September 1943: Sondergericht verurteilt Kölner Edelweißpiraten zu hohen Haftstrafen
Mitte Oktober 1943: Gestapo verhaftet Kölner Jugendliche
13. Oktober 1943: Gestapo-Razzia in Köln-Mülheim
16. Oktober 1943: HJ-Streife überfällt vier Mülheimer Jugendliche
18. Oktober 1943: Mülheimer Jugendliche greifen HJ-Dienststelle an
1. Dezember 1943: Oberstaatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Mülheimer Jugendliche
25. Dezember 1943: Weihnachten in Brauweiler: Gewalt in der Erziehungsanstalt
Anfang 1944: Reichsjustizministerium berichtet über jugendliche Cliquen
3. Januar 1944: Club der Edelweißpiraten in Brauweiler
22. Januar 1944: Brauweiler Direktor will Verlegung der Edelweißpiraten in ein "Jugendschutzlager": Einschaltung der Gestapo
17. März 1943: Fürsorgeerziehungsbehörde berichtet Gestapo über "oppositionelle Jugendbewegungen" in Brauweiler
14. Juli 1944: Gestapo berichtet über Ermittlungsstand gegen die Brauweiler Edelweißpiraten
30. September 1944: Ermittlungen gegen Edelwewißpiraten wird zurückgefahren
4. Oktober 1944: Jugendliche aus dem Umkreis der Steinbrück-Gruppe verhaftet
10. November 1944: Hinrichtungen in Köln-Ehrenfeld Hinrichtungen in Köln-Ehrenfeld
13. Januar 1944: Gerichtsverhandlung gegen Mülheimer Edelweißpiraten wegen "bündischer Betätigung"
Oktober 1944: Fremdwahrnehmung der Edelweißpiraten: Skepsis bei amerikanischen Nachrichtenoffizieren 1944/45
Dezember 1944: Kontroverse Beurteilung der Edelweißpiraten im britischen Außenministerium
7. November 1943: Kölner Richter gibt Lagebericht zu Kölner Edelweißpiraten

Gruppen
Edelweißpiraten (Leipziger Platz)
Edelweißpiraten (Volksgarten)
Edelweißpiraten (Mülheim)
Edelweißpiraten (Manderscheider Platz)
Edelweißpiraten (Ehrenfeld)
Edelweißpiraten (Club der Edelweißpiraten)
Steinbrück-Gruppe (Jugendliche)