Über die Ausstellung

Köln besteht aus Veedeln – urkölsch und modern prägen sie unseren Alltag. Gemeinsam werden sich Römisch-Germanisches Museum und Kölnisches Stadtmuseum in lockerer Folge diesen Kölner Schauplätzen widmen. Den Auftakt macht der Waidmarkt, der 2009 durch den Einsturz des Historischen Archivs in den Fokus der nationalen und internationalen Medien geriet.

Doch der Waidmarkt war und ist viel mehr als das, was uns heute bewegt: Vor mehr als 2000 Jahren legten hier römische Pioniere eine Fernstraße entlang des Rheins an, um die germanischen Provinzen mit Italien zu verbinden. Entlang der Straße entstanden Wohn- und Werkstatthäuser, in den denen Handwerker Glas und Keramik produzierten. Seit dem späten 3. Jahrhundert wurden die Häuser aufgegeben, da sich die Bewohner hinter die sicheren Stadtmauern zurückzogen. Inmitten der Ruinen entstanden Friedhöfe. Das Gelände blieb nun für mehr als ein halbes Jahrtausend unbesiedelt. Erst im 11. Jahrhundert entwickelte sich um die Kirchen St. Georg und St. Jakob das neue Stadtviertel „Oversburg“.

Die antike Fernstraße wurde zum Waidmarkt erweitert. Seinen Namen verdankt er dem „Waid“, der hier gehandelt und in direkter Nachbarschaft entlang des „Blaubachs“ zum Blaufärben von Textilien genutzt wurde. Handwerker und Händler bestimmten das Geschehen. Prominentester Anwohner war der Kölner Weinhändler, Chronist und Ratsherr Hermann von Weinsberg, dessen Aufzeichnungen die bedeutendste Quelle zur Stadtgeschichte des 16. Jahrhunderts sind.

Der Waidmarkt war durch das Karmeliterkloster auch ein Ort der Bildung. Auf dem Klostergrundstück steht seit 1825 das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium. Aus Kriegszerstörung und Wiederaufbau gingen die Neubauten des Gymnasiums und des Polizeipräsidiums hervor. Dessen Beamte hätten es sich wohl nicht träumen lassen, dass 1966 der Kölner Regierungspräsident am Waidmarkt in einen handfesten „Sittenskandal“ verwickelt wurde, der ihn zum Rücktritt zwang. Dass rund 500 Jahre zuvor ein Kölner Erzbischof am Waidmarkt seiner Geliebten ein Palais erbauen ließ, erregte die Gemüter der Zeitgenossen seinerzeit hingegen nicht.

„Schön“ im herkömmlichen Sinn des Wortes ist das Waidmarkt-Viertel nie gewesen – keine städtebaulich oder architektonisch herausragende Glanzleistung, kein heimeliger Ort zum Verweilen, kein Identität stiftendes „Veedel“ und auch touristisch kaum zu vermarkten. Warum wir also ausgerechnet dieses Viertel für die erste gemeinsame Präsentation der Reihe „Orte Kölner Geschichte“ ausgewählt haben? Gerade deshalb!

Die Ausstellung bietet den Kölnerinnen und Kölnern die Möglichkeit, sich ein Bild von der facettenreichen Geschichte dieses Viertels und ihrer Stadt zu machen: Köln im Brennglas - 2000 Jahre Geschichte auf 400 Metren Länge, 200 Metern Breite und 28 Metern Tiefe.

Dabei ist bemerkenswert, wie sehr Themen des „Unterirdischen“, ja Tabuisierten, am Waidmarkt präsent waren – und was der geschichtsträchtige Boden zutage fördert: antike Grabkisten mit Inschriften in denkwürdiger Zweitverwendung, Keramiken römischer „Produktpiraten“, antike Straßennetze und Funde aus mittelalterlichen Kloaken. Die Quellen berichten aber auch von Abwässern und Gestank, Notbestattungen von Opfern des Bombenkriegs, unter Verschluss gehaltenen Nazi-Akten im Keller des Präsidiums, Sittenskandalen in unterirdischen Toilettenanlagen und zuletzt von der Katastrophe des Archiveinsturzes. Erst vor wenigen Wochen wurden die letzten Dokumente im Grundwasser geborgen, 28 Meter tief unter dem Waidmarkt. Zeitgleich künden die Neubauten am Platz des ehemaligen Polizeipräsidiums vom Aufbruch.

Die Ausstellung zeigt zahlreiche, oft neue Grabungsfunde, Gemälden, Grafiken, Fotografien, Kunstwerke, historische Dokumente und Objekte aus den Sammlungen beider Museen. Auch Leihgaben aus dem Historischen Archiv der Stadt Köln, dem Historischen Archiv des Erzbistums Köln, dem Jüdischen Museum Frankfurt, dem Wallraf-Richartz-Museum, dem LVR-LandesMuseum Bonn und anderen namhaften Sammlungen werden in der Ausstellung präsentiert.

In Zusammenarbeit mit dem Duftdesigner Uwe Manasse werden die dem Waidmarkt eigenen Gerüche erfahrbar gemacht. Hörstationen sorgen für eine akustische Untermalung des Museumsbesuchs.