Antisemitismus war ein wesentlicher Bestandteil nationalsozialistischer Ideologie. Bereits vorhandene judenfeindliche und rassistische Vorstellungen wurden vom NS-Regime in eine Politik umgesetzt, die Juden mit bürokratischen und terroristischen Mitteln verfolgte. Die systematischen Maßnahmen zur Ausgrenzung der jüdischen Bürger aus dem sozialen und wirtschaftlichen Leben begannen unmittelbar nach der Machtergreifung. In den folgenden Jahren richtete sich die antijüdische Politik auf Ausplünderung und Vertreibung der Juden. 1941 setzten die Deportationen in die Ghettos und Konzentrationslager ein. Tausende Kölner Juden wurden ermordet.
Mitte der Weimarer Republik lebten ca. 16000 Juden in Köln, die 2,3Prozent der Bevölkerung ausmachten. Diese jüdische Bevölkerung war in sozialer, politischer und religiöser Hinsicht sehr differenziert. Die Mehrheit war assimiliert, hatte sich also im Alltagsleben, in den Gebräuchen und Lebensweisen an die Formen der christlichen Umgebung angepasst. Das Bewusstsein, jüdisch zu sein, war bei vielen in den Hintergrund gerückt. Aber es gab auch religiös-konservativ orientierte Kreise sowie eine nicht unbedeutende Orthodoxie, die sich schon im 19. Jahrhundert in einem eigenen Gemeindezentrum zusammengeschlossen hatte. Verstärkt wurde diese orthodoxe Gruppierung nach der Jahrhundertwende durch die Zuwanderung von Juden aus Osteuropa, die stark von einer ostjüdischen religiösen Tradition geprägt waren.
Die jüdische Bevölkerung wohnte vor allem in der Innenstadt Kölns und in den bürgerlich geprägten Vororten. Dieser Situation entsprechend war auch die Verteilung der jüdischen Einrichtungen in der Stadt.
Neben den drei großen Synagogen in der Innenstadt, der der liberalen Richtung in der Roonstraße, der der konservativen in der Glockengasse und der der orthodoxen Gemeinde in der St.-Apern-Straße, gab es die Synagogen der Vororte. Die Synagogen in Mülheim und Deutz waren die religiösen Zentren alter Gemeinden, das Gotteshaus im wachsenden Industrie vorort Ehrenfeld dagegen wurde erst 1927 gebaut. Betsäle und Betstuben waren Einrichtungen der in sich differenzierten ostjüdisch-orthodoxen Gruppen, die sich insbesondere im Griechenmarktviertel angesiedelt hatten. Spezielle Bildungsstätten wie die Talmud-Thora Schule auf dem Hohenstaufenring oder die Ostjüdische Talmud-Thora in der Quirinstraße waren Angebote zu Schulung in Bibel- und Talmudlehre.
Darüber hinaus war, teils innerhalb des städtischen Schulsystems, teils außerhalb, auch ein eigenes jüdisches Schulsystem entstanden. Neben der religiös-liberalen städtischen Volksschule in der Lützowstraße gab es im orthodoxen Gemeindezentrum in der St.-Apern-Straße die 1907 gegründete Volksschule Moriah, das seit 1919 bestehende Reformrealgymnasium Jawne sowie ein jüdisches Lehrerseminar. Die bedeutendsten jüdischen karitativen Einrichtungen waren das Israelitische Asyl für Kranke und Altersschwache, das Abraham-Frank-Haus (Waisenhaus), das jüdische Kinderheim und das jüdische Lehrlingsheim.
Trotz dieser Vielfalt jüdischer Einrichtungen und Organisationen war ein großer Teil der Kölner Juden bis 1933 nicht oder nur sehr wenig an speziellen jüdischen Institutionen interessiert. Die meisten jüdischen Kinder besuchten die evangelischen und katholischen Volksschulen ihres Stadtviertels oder überkonfessionelle höhere Schulen; Juden waren Mitglieder nichtkonfessioneller gesellschaftlicher Vereine und kultureller Einrichtungen, Mitglieder der allgemeinen politischen Parteien und sozialen Organisationen. Man verstand sich als deutsche Staatsangehörige jüdischen Glaubens.
Vielen jüdischen Familien der assimilierten Kreise war es seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelungen, in mittlere und obere soziale Schichten aufzusteigen, sodass sich eine breite jüdische Mittelschicht und eine deutlich wahrnehmbare Oberschicht des Wirtschafts- und Bildungsbürgertums gebildet hatte. Eine große Anzahl jüdischer Männer und Frauen spielte bedeutende Rollen in der Kölner Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur.
Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten begannen die Angriffe auf die jüdische Bevölkerung. Schon der für den 1.April und die folgenden Tage im ganzen Reich organisierte Boykott von Geschäften, Warenhäusern, Kanzleien und Arztpraxen jüdischer Besitzer bildete einen ersten und einschneidenden Schritt zur Diskriminierung der Juden. Angekündigt durch Presse, Plakate und Flugblätter wurden während der Boykotttage Geschäfte und Betriebe durch Aufschriften wie »jüdisches Geschäft« oder »Kauft nicht bei Juden« gekennzeichnet. Posten vor den Geschäften drangsalierten die Besitzer und setzten Kunden unter Druck. Jüdische Geschäftsleute wurden misshandelt und durch die Straßen getrieben, wobei sie von SA- und SS-Männern gezwungen wurden, demütigende und diffamierende Plakate zu tragen. Jüdische Juristen nahm man im Gericht am Reichenspergerplatz fest und fuhr sie auf Müllwagen durch die Stadt.
Gleichzeitig zum Boykott plante das NS-Regime die ersten Berufsverbote für Juden. Das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom 7.April 1933 bot die Grundlage, nicht nur politisch missliebige, sondern auch »nichtarische« Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und gleichgestellter Einrichtungen zu entlassen. Als »nichtarisch« galt, wer einen jüdischen Großelternteil hatte. Nach diesem Gesetz war eine Erwerbstätigkeit von Juden im öffentlichen Dienst nicht mehr möglich.
In Köln hatte die städtische Verwaltung bereits Tage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes begonnen, die neue Politik vorzubereiten. Um rasche Entlassungen durchführen zu können, wurden schon ab Ende März Erkundigungen bei allen Dienststellen der Stadt über jüdische oder mit Juden verheiratete Beschäftigte eingeholt. Die gewünschten Angaben erfolgten umgehend.
In den nächsten Wochen und Monaten folgten dichtgedrängt Maßnahmen zur weiteren Berufseinschränkung. Niedergelassene Ärzte und Zahnärzte verloren die Kassenzugehörigkeit, Rechtsanwälten entzog man das Vertretungsrecht. Weitere Berufsverbote trafen jüdische Apotheker, Hebammen, Krankenpfleger und -pflegerinnen, Heilpraktiker sowie Assistenten und Privatdozenten an Hochschulen. Mit dem Reichskulturkammergesetz vom September 1933 wurde die Tätigkeit von Juden außerdem in den Bereichen Literatur, Presse, Theater, Musik und in den bildenden Künsten unterbunden. (Foto: NS-DOK, Bp 123)
Ebenso einschneidend wie die wirtschaftliche und berufliche Diskriminierung der Juden war ihre systematische Ausschaltung aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben der Stadt. Unter unmittelbarem Druck oder um den Wünschen der neuen Machthaber entgegenzukommen, wurden Personen jüdischer Herkunft gezwungen, ihre Ämter und Funktionen, schließlich auch ihre Mitgliedschaft in Verbänden und Organisationen niederzulegen, sei es in Sportvereinen oder Jugendorganisationen, in wirtschaftlichen Interessensverbänden oder geselligen Vereinigungen.
1935 machten die Rassengesetze des Nürnberger Parteitages, das »Reichsbürgergesetz« und das »Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre« (»Blutschutzgesetz«), dem Konzept der Assimilierung, der Vorstellung einer gemeinsamen Gesellschaft von nichtjüdischen und jüdischen Deutschen, ein Ende. Durch das »Reichsbürgergesetz « wurde erstmals eine Unterscheidung zwischen Reichsbürgern und Staatsbürgern geschaffen und damit die seit 1871 im Deutschen Reich gültige Gleichstellung der Juden in ihren politischen Rechten aufgehoben. Es galt nun: »Reichsbürger ist nur der Staatsbürger deutschen und artverwandten Blutes.« Mit dieser Unterscheidung war Juden das Stimmrecht in allen politischen Bereichen und die Möglichkeit, ein öffentliches Amt auszuüben, aberkannt. Das »Blutschutzgesetz« griff darüber hinaus in entscheidender und extrem entwürdigender Weise in das persönlich- private Leben vor allem der jüdischen, aber auch der nichtjüdischen Bevölkerung ein. Eheschließungen zwischen Juden und »Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes« ebenso wie außereheliche Beziehungen zwischen diesen Gruppen waren nun bei Androhung härtester Strafen verboten. Mit perfider Detailfreudigkeit definierten die gesetzlichen Bestimmungen, wen man als »deutschblütig«, »Juden«, »Mischling 1.Grades« oder »Mischling 2.Grades« einzuordnen hatte.
Bereits unmittelbar nach der Machtergreifung hatten Flucht und Auswanderung der jüdischen Bevölkerung begonnen. Vielen Juden war rasch bewusst geworden, dass eine Zukunft in Deutschland für sie nicht mehr möglich war. Gerade Personen und Organisationen jedoch, die bisher deutschpatriotische Einstellungen vertreten hatten, gaben die Hoffnung auf eine baldige Besserung ihrer Lage nicht auf und suchten noch bis Mitte der 1930er Jahre den Diskriminierungen mit Argumenten und Hinweisen auf die Verdienste des deutschen Judentums entgegenzutreten. Die Auswanderungswilligen andererseits standen vor großen Problemen. Fast alle Länder versuchten, die Immigration von Juden aus Deutschland mit Quotenbestimmungen zu kontrollieren, stellten Alters-, Gesundheits- und Vermögensregelungen auf und forderten Bürgschaften. Für viele waren diese Hürden schließlich unüberwindlich.
Im Mai 1933 hatte die Kölner jüdische Gemeinde »zur Würde und Festigkeit im eigenen Los« und »zur Treue gegen Gemeinde und Judentum« aufgerufen und zugleich eine umfassende Neuorganisation ihres sozialen Angebotes geschaffen. Neben einer Stärkung des Gemeinschaftsgefühls wollte man vor allem Hilfe in der für viele beginnenden wirtschaftlichen Not organisieren, sodass Hilfsprogramme entwickelt, karitative Einrichtungen ausgedehnt und besondere Dienste eingerichtet wurden. Tatsächlich schloss sich die jüdische Bevölkerung schnell enger zusammen. Konflikte innerhalb der Gemeinde schwächten sich ab, und auch die Kreise, die bis 1933 jüdischen Organisationen fern geblieben waren, sahen sich nun zu einer Annäherung gezwungen. Vereine, die bisher aufgrund ihrer politischen Richtung konkurriert hatten, entschlossen sich zu vermehrter Zusammenarbeit; die Mitgliederzahl besonders der jüdischen Jugend- und Sportvereine wuchs, da jüdische Jugendliche aus den nichtjüdischen Vereinen ausgeschlossen wurden. Jüdische Schülerinnen und Schüler nicht nur aus Köln drängten in die jüdischen Schulen. Im kulturellen Bereich begann der 1934 gegründete Jüdische Kulturbund Rhein-Ruhr Theateraufführungen und Konzerte zu organisieren und ermöglichte damit jüdischen Künstlern wie jüdischem Publikum weiterhin, trotz aller Diskriminierung, kulturelles Leben.
Seit 1933 hatten sich nicht nur wirtschaftliche Einschränkungen vollzogen, sondern es hatte in einer Vielzahl von Schritten ein Prozess der Ausplünderung und Enteignung der Juden stattgefunden. Durch eine systematische Politik der »Entjudung« und »Arisierung« wurden Vermögen, Firmen, Geschäfte, Häuser und mobiles Eigentum in »arischen« d.h. nichtjüdischen Besitz gebracht. Nach dem Novemberpogrom verschärfte sich diese Politik der Ausplünderung. Gesetzliche Bestimmungen schränkten die Arbeitsmöglichkeiten und Eigentumsrechte der jüdischen Bevölkerung weiter ein, Sonderabgaben wie vor allem eine Vermögensabgabe, mit der Juden selbst für die Schäden des Novemberpogroms aufzukommen hatten, belasteten die wirtschaftliche Situation der jüdischen Bevölkerung in extremem Maße. Darüber hinaus steigerte sich der Druck zum Verkauf von Immobilien. Insgesamt wurden in Köln allein zwischen 1938 und 1944 735 Häuser und Grundstücke von jüdischen Eigentümern veräußert. Auch die Arbeitskraft der Juden beutete man aus, indem man sie als Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Kölner Firmen einsetzte.
Nachdem sich schon seit Beginn des Jahres 1938 die antijüdische Politik verschärft hatte, begann im Herbst 1938 eine neue Phase der Verfolgung. Ende Oktober wurden Hunderte von Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit, die meist schon seit Jahrzehnten in Köln gelebt hatten, nach Polen ausgewiesen. Kurz darauf, am 9. und 10.November, machten die Ereignisse der sogenannten Reichskristallnacht jeder Hoffnung der jüdischen Bevölkerung auf eine Abschwächung der antisemitischen Politik des Regimes ein Ende. Während des in ganz Deutschland von Staat und Partei inszenierten Pogroms wurden in Köln, ungehindert von der Bevölkerung oder sogar von ihr unterstützt, ungezählte Wohnungen und Geschäfte verwüstet, jüdische Menschen misshandelt und gedemütigt. Ein Mann wurde erschlagen. Hunderte von jüdischen Männern verhaftete man und inhaftierte sie im Konzentrationslager Dachau. Die Synagogen in der Roonstraße, der Glockengasse und der Körnerstraße brannten nieder, die Synagoge in der St.-Apern-Straße wurde verwüstet. Ebenso wurden die Synagogen in Mülheim und Deutz zerstört.
Seit Ende 1938 verschärften sich auch die Maßnahmen zur sozialen Ausgrenzung der Juden. Zunächst wurden ihre Reisepässe mit einem »J« gekennzeichnet, ab Anfang 1939 mussten sie außerdem die Namenszusätze »Sara« bzw. »Israel« führen. Durch ein Gesetz vom Mai 1939 wurde Juden schließlich der Mieterschutz entzogen, sodass sie nun aus ihren Wohnungen ausgewiesen werden und in bestimmten Stadtteilen und sogenannten »Judenhäusern« zusammengefasst werden konnten. Damit war eine Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung Kölns, die sich Mitte 1939 auf 8000 Personen verringert hatte, erreicht. Alltag und Bewegungsfreiheit wurden durch eine Vielzahl von Gesetzen weiter in extremer Weise eingeschränkt. So war Juden nun verboten, Telefonzellen zu benutzen, Haustiere zu halten, Bücher in Buchhandlungen zu kaufen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren und die Wohngemeinde zu verlassen. Lebensmittel konnten nur noch in bestimmten Geschäften gekauft werden. Schreibmaschinen und Fahrräder musste die jüdische Bevölkerung ebenso abliefern wie Pelze und optische Geräte. Seit September 1941 waren alle Juden zum Tragen des »Judensterns« gezwungen. Wer diese Anweisung nicht befolgte, konnte verhaftet und deportiert werden.
Ende 1941 begannen die Deportationen in die Ghettos und Vernichtungslager des Ostens. In Köln lebten zu diesem Zeitpunkt noch etwa 6200, im übrigen Regierungsbezirk Köln 1400 Juden. Fast alle jüdischen Einrichtung en und Organisationen existierten nicht mehr, und auch die nur noch als Kultusvereinigung »Synagogen- Gemeinde Köln e.V.« und lokale Nebenstelle der »Reichsvereinigung der Juden in Deutsch land« existierende jüdische Gemeinde hatte kaum mehr Handlungsmöglichkeiten.
Im Herbst 1941 richteten die Kölner Behörden in Köln-Müngersdorf, in den Gebäuden des Fort V und in neu erbauten Baracken, ein Sammellager ein , in dem Juden aus Köln und aus der Kölner Region inhaftiert wurden, bis sie einem der Transporte zugeteilt waren. Auch die letzten offiziellen Vertreter der jüdischen Gemeinde wurden ins Lager Müngersdorf eingewiesen, ebenso die letzten Patienten des jüdischen Krankenhauses und die Bewohner des jüdischen Altenheims.
Die Zuteilung zu den Transporten erfolgte durch die jüdische Gemeinde, die von den Behörden gezwungen wurde, die Namenslisten der zu Deportierenden zusammenzustellen. Die auf den Listen genannten Personen erhielten einige Tage vor der Deportation eine Benachrichtigung über Zeitpunkt und Ziel des Transportes. Sie hatten sich auf dem Gelände der Kölner Messe zu sammeln, wurden von dort zum Bahnhof Deutz-Tief gebracht und schließlich in die Lager des deutsch besetzten Ostens verschleppt. Ihr – bis auf ein zugelassenes minimales Gepäck – letzter Besitz wurde von der Gestapo und der Oberfinanzdirektion Köln zugunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt.
Vom Herbst 1941 bis zum Sommer 1942 organisierte die Kölner Gestapo mit jeweils rund 1000 Menschen umfassenden Bahntransporten die Deportation fast der gesamten zu diesem Zeitpunkt noch in Köln und der Region lebenden jüdischen Bevölkerung. Der erste Zug fuhr in Köln-Deutz am 22. Oktober 1941 ab, sein Ziel war das Ghetto Litzmannstadt im besetzten Lódz. Wenige Tage später folgte erneut ein Transport nach Litzmannstadt. Am 7. Dezember 1941 fuhr ein Deportationszug von Köln aus in das Ghetto Riga, am 15. Juni und am 27. Juli 1942 war das Fahrtziel das Ghetto Theresienstadt. Kölnerinnen und Kölner befanden sich zudem in einem Sammeltransport, der am 15. Juni 1942 aus Koblenz über Aachen, Köln und Düsseldorf bis nach Sobibor gelangte. Auch die Deportation vom 20. Juli 1942, die Köln- Deutz mit Fahrtziel Minsk verließ, umfasste neben Kölner Juden etwa zur Hälfte jüdische Frauen, Männer und Kinder aus dem Rheinland. Nach dieser ersten, bereits im Zusammenhang mit der geplanten Ermordung der jüdischen Bevölkerung stehenden Verschleppungsaktion kam es immer wieder zur Deportation einzelner, bis zu 50 Personen umfassender Gruppen in das Ghetto Theresienstadt, zuletzt im März 1945. Diese späteren Verschleppungen betrafen nun auch diejenigen, die bis dahin gemäß der Logik der »Nürnberger Rassengesetze« als »Mischlinge« oder als in »Mischehe« lebend verschont geblieben waren.
Eine nicht genau zu beziffernde, aber hohe Anzahl von jüdischen Kölnerinnen und Kölnern wurde aus den Ländern deportiert, in denen sie Zuflucht gesucht hatten, die aber während des Zweiten Weltkrieges nach und nach in den nationalsozialistischen Machtbereich gerieten. Meist über Sammellager wie Mechelen (Malines) in Belgien oder Gurs in Frankreich gelangten auch sie in die Ghettos und Vernichtungslager. Ähnliches gilt für die Gruppe der etwa 600 »Ostjuden«, die im Oktober 1938 aus Köln an die polnische Grenze verbracht worden waren. Wer nicht in ein sicheres Land emigrieren konnte, geriet seit dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen ebenfalls in die Fänge der Nationalsozialisten.
Fast alle Deportierten wurden Opfer des Völkermordes. Sie starben entweder an den unmenschlichen Bedingungen oder Gewaltverbrechen in den Ghettos selbst, oder sie wurden weiter in Vernichtungslager deportiert und dort ermordet. Am besten dokumentiert ist das Schicksal der insgesamt 2514 aus Köln und der Region nach Theresienstadt Verschleppten: 231 konnten überleben, die übrigen starben im Ghetto oder wurden in die Vernichtungslager Treblinka oder Auschwitz verbracht und dort getötet. So weit bislang bekannt, erlebten von den in das Ghetto Riga Deportierten nur etwa 80 Menschen die Befreiung. Niemand hingegen überlebte die Deportation nach Minsk: Die 1164 Deportierten, darunter auch die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer der »Jawne«, wurden bei ihrer Ankunft nicht in das Ghetto geführt, sondern in dem nahe gelegenen Maly Trostenez ermordet. Von den rund 2000 Frauen, Männern und Kindern, die am 22. und 30. Oktober 1941 von Köln nach Litzmannstadt deportiert wurden, haben nach jüngsten Recherchen 25 Frauen und Männer überlebt.
Das am 30. April 1940 in einem Lódzer Stadtteil unweit des Zentrums errichtete Ghetto Litzmannstadt war nach Warschau das größte und das am längsten bestehende Ghetto. Auf einem Gebiet von rund vier Quadratkilometern lebten bereits rund 160000 polnische Juden in dem mit Stacheldraht umzäunten und streng bewachten Wohnviertel, als im Herbst 1941 nochmals rund 20000 »Westjuden« aus Berlin, Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Luxemburg, Prag und Wien eintrafen. Die Lebensbedingungen innerhalb dieser Zwangsgemeinschaft, den von Hunger und Tod geprägten Ghettoalltag und die immer wieder stattfindenden »Aussiedlungen« in die Vernichtungslager Kulmhof und Auschwitz- Birkenau können wir dank einer vergleichsweise gut erhaltenen Überlieferung auch für die Kölnerinnen und Kölner nachzeichnen.
Auf der Karte wird verdeutlicht, wie sich der Leidensweg der rund 2000 aus Köln Deportierten nach der Ankunft im Ghetto Litzmannstadt fortsetzte. Die Verschleppten bemühten sich mit viel Hoffnung darum, sich trotz der schwierigen Überlebensbedingungen dem Ghettoleben anzupassen. Im Sommer 1942 wurden jedoch rund 1060 von ihnen Opfer der seit Ende 1941 durchgeführten Massentötungen. Sie wurden aus dem Ghetto in das knapp 55 Kilometer nordwestlich gelegene Kulmhof (poln. Chelmno) verbracht und dort in mobilen Gaswagen ermordet. Bei der nächsten Tötungsaktion im September 1942 waren insbesondere Kinder und ältere Menschen betroffen, darunter mindestens 180 aus den Kölner Transporten. Nach dieser Verschleppungsaktion, die mit einer mehrtägigen Razzia unter bis dahin nie gekannter Brutalität durchgesetzt wurde und die sich als »Große Sperre« in das Gedächtnis der Ghettobewohner eingeschrieben hat, mussten sich die Zurückgebliebenen nochmals neu orientieren. Viele hatten inzwischen Angehörige und Freunde verloren, waren selbst kurz vor dem Verhungern. Im Sommer 1944, kurz vor der Auflösung des Ghettos, wurden nochmals rund 140 Kölnerinnen und Kölner in Kulmhof ermordet. Fast 400 der Deportierten aus Köln starben im Ghetto selbst. Bei ihnen ist ein Todesdatum bekannt, und für nicht wenige von ihnen – so etwa für den am 21. Februar 1942 im Ghetto erhängten Max Hertz – lassen sich die Todesumstände vergleichsweise genauer darstellen. Weitere mindestens 50 Kölner Deportierte wurden im Sommer 1944 bei der Auflösung des Ghettos nach Auschwitz überstellt. Für rund 200 Menschen konnte bis heute nicht zweifelsfrei geklärt werden, wann, wo und unter welchen Umständen sie ermordet wurden. Nur 25 der von Köln ins Ghetto Litzmannstadt verschleppten Männer und Frauen überlebten dies. Sie waren von dort in andere Lager oder Arbeitskommandos verlegt worden und erlebten ihre Befreiung 1945 an verschiedenen Orten, etwa in den Konzentrationslagern Bergen-Belsen oder Flossenbürg, in Mauthausen oder in Groß-Rosen oder auf einem der berüchtigten Todesmärsche.