Vergessene Opfer« sind jene, die in der NS-Zeit aus der »Volksgemeinschaft« ausgegrenzt und verfolgt und nach 1945 weiterhin gemieden und diskriminiert wurden. Man verweigerte ihnen die moralische Anerkennung als Opfer, die offizielle Rehabilitierung und die Zahlung von Entschädigungen.
Aufgrund des bereits am 14. Juli1933 erlassenen »Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« konnten Menschen zwangssterilisiert, d.h. gegen ihren Willen unfruchtbar gemacht werden. Anträge auf Zwangssterilisation wurden von Ärzten und Anstaltsleitern gestellt. Ärzte der Beratungsstelle für Erb- und Rassenpflege des Gesundheitsamts verfassten Gutachten. Das Erbgesundheitsgericht – und das Erbgesundheitsobergericht als zweite Instanz – entschieden über die Anträge. In Krankenhäusern wie der Universitätsklinik Lindenburg und dem Evangelischen Krankenhaus Weyertal wurden die Operationen durchgeführt. Zwangssterilisiert wurden auch Kinder und Jugendliche, die als »Rheinlandbastarde« diffamiert wurden, weil sie Kinder von farbigen Soldaten und deutschen Frauen aus der Zeit der britischen und französischen Besatzung des Rheinlandes nach dem Ersten Weltkrieg waren. Schon in den 1920er Jahren waren sie als »schwarze Schmach« oder »schwarze Schande am Rhein« verunglimpft worden. In Köln wurden rund 4070 Menschen zwangssterilisiert.
»Euthanasie« war die verschleiernde Bezeichnung der Nationalsozialisten für die Ermordung von Menschen, die sie als »lebensunwert« einstuften, vor allem geistig und körperlich Behinderte. Die Tötungsaktionen sollten streng geheim gehalten werden, inoffiziell wurden sie nach dem Sitz der Kommandozentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4 als »Aktion T4« bezeichnet. Ein Kölner war un mittelbar an der Organisation der »Euthanasie« beteiligt: Friedrich Tillmann, der Direktor der Kölner Waisenheime, arbeitete neben seiner Tätigkeit in Köln vom Sommer 1940 bis zum Herbst 1941 als Büroleiter in der »Euthanasie«-Zentrale in Berlin. Trotz der Geheimhaltung kam es zu Protesten vor allem von katholischen und evangelischen Geistlichen, insbesondere durch den Bischof von Münster, Clemens August von Galen. Auch der seit 1942 amtierende Kölner Erzbischof Frings wandte sich in einer Predigt mit eindeutigen Worten gegen die »Euthanasie«. Hitler ließ aufgrund der Proteste 1941 die Ermordungen einstellen, doch gingen sie in verringertem Umfang weiter. Den Tötungsaktionen fielen reichsweit über 100000 Erwachsene und 20000 Kinder zum Opfer, unter ihnen mehrere Hundert aus Köln.
Nach der nationalsozialistischen Rassenideologie galt Homosexualität als eine »Seuche«, die zu einer »Schwächung der Volkskraft« führe, da Homosexuelle sich dem »natürlichen Fortpflanzungsprozeß« entzögen. Die lebendige homosexuelle Szene mit ihren Lokalen und Clubs, ihren Zeitschriften und Broschüren, die sich in Köln während der Weimarer Republik entwickelt hatte, wurde von den Nationalsozialisten unmittelbar nach der Machtübernahme zerschlagen. 1935 wurde der Paragraph 175 des Strafgesetzbuches, der »widernatürliche Unzucht« mit Gefängnis bestrafte, erheblich verschärft. Vor Ort führte die Kriminalpolizei die Ermittlungen und ging im Rahmen der »polizeilichen planmäßigen Überwachung« und der »vorbeugenden Verbrechensbekämpfung« gegen Homosexuelle vor. Die Verhaftung eines hochrangigen Kölner Nationalsozialisten, Kurt Bartels, im Juni 1938 wegen des Verdachts homo sexueller Betätigung führte mit über 200 Festnahmen zur größten Verhaftungsaktion gegen Homosexuelle in der NS-Zeit in Köln. Die meisten Gerichtsverfahren endeten mit Haftstrafen. Zu den schlimmsten Konsequenzen der Verfolgung gehörten zwangsweise Kastrationen und die Verschleppung in Konzentrationslager, wo Homosexuelle mit dem rosa Winkel gekennzeichnet wurden. Lesbische Frauen wurden vom Paragraphen 175 nicht erfasst, doch konnten sie als sogenannte »Asoziale« verfolgt und in Konzentrationslager eingewiesen werden. Hunderte Homosexuelle sind in Köln zu Gefängnis- und Zuchthausstrafen verurteilt worden, manche in Konzentrationslagern umgekommen und einige im Gefängnis Klingelpütz hingerichtet worden.
Als »Asoziale« galten für die Nationalsozialisten Personen, die »sich in die Ordnung der Volksgemeinschaft nicht einfügen wollen«, sogenannte »Gemeinschaftsfremde«. Darunter zählten sie Bettler, Obdachlose, »Arbeitsscheue«, Prostituierte, unangepasste Jugendliche, aber auch «Zigeuner und nach Zigeunerart umherziehende Personen«. »Asozial« wurde zu einer Sammelbezeichnung für als minderwertig eingeschätzte Menschen aus den sozialen Unterschichten, die nicht oder ungenügend arbeiteten bzw. unangepasst lebten. Mehrfach wurden reichsweit großangelegte Razzien durchgeführt, so die Bettlerrazzia vom September 1933 und die Aktion »Arbeitsscheu Reich« vom April 1938. Als »asozial« beurteilte Menschen wurden häufig auch zwangssterilisiert und zwar mit der Begründung, es liege »angeborener Schwach sinn« vor, da man ohnehin die Vererbung »asozialer« Charaktereigenschaften in »asozialen Sippen« behauptete. Von der Kriminalpolizei erfasst und als »Asoziale« abgestempelt, konnten diese Menschen von der Polizei »planmäßig überwacht«, in polizeiliche »Vorbeugungshaft« genommen und ins Konzentrationslager eingewiesen werden. In den Konzentrationslagern hatten die als »asozial« eingeschätzten Menschen nur eine geringe Überlebenschance. Sie wurden mit einem schwarzen Winkel gekennzeichnet und von den übrigen Häftlingen weitgehend isoliert.
In der Dauerausstellung »Köln im Nationalsozialismus« können in einem kleinen Raum, der an die Darstellung der »Vergessenen Opfer« anschließt, über Kopfhörer Interviews zu den folgenden Gruppen rassisch Verfolgter abgehört werden: Zwangssterilisierte: Zunächst berichtet eine 1922 geborene Kölnerin, die im Alter von 18 Jahren zwangssterilisiert wurde, über ihr Leben. Anschließend folgen Ausschnitte aus einer Diskussion zwischen Teilnehmern des »Gesprächskreises des Bundes der ›Euthanasie‹-Geschädigten und Zwangssterilisierten«. (Interviews von 1997 und 1991, Ausschnitte von 14 Minuten.) »Euthanasie«-Opfer: Die Tochter eines »Euthanasie«-Opfers schildert den Leidensweg ihres Vaters. (Interview von 1997, Ausschnitt von 10 Minuten.) Homosexuelle: Über das Leben von Homosexuellen in Köln während der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus berichten drei Homosexuelle, die zwischen 1909 und 1911 geboren wurden. (Interviews von 1985, 1987 und 1995, Ausschnitte von 33 Minuten.) »Asoziale«: Eine ehemalige Mitarbeiterin der Fürsorgestelle beim Landschaftsverband Rheinland berichtet von ihrer Tätigkeit während der NS-Zeit. Ein Interview mit einer als »asozial« verfolgten Person liegt leider nicht vor. (Interview von 1991, Ausschnitt von 6 Minuten.) Sinti und Roma: Der 1928 geborene Sinto Philipp Reinhardt berichtet von seinem Schicksal und dem seiner Familie, das auch im folgenden Raum am Beispiel von 16 Familienmitgliedern dargestellt wird. (Interview von 1992, Ausschnitt von 23 Minuten.)