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Jugend

Dieses Thema im 360°Rundgang

Totale Vereinnahmung der Jugend war erklärtes Ziel des NS-Regimes. In Schule und Freizeit sollten die Mädchen und Jungen, vom Staat beaufsichtigt und gelenkt, früh zeitig in den »Führerstaat« eingegliedert werden. Die Jugendorganisationen des Regimes – Hitlerjugend (HJ) und Bund Deutscher Mädel (BDM) – bekämpften die übrigen politischen, konfessionellen und freien Jugendorganisationen, die schließlich zur Auflösung gezwungen wurden.

Verbote, Gleichschaltung und Verdrängung

Die Jahre der Weimarer Republik waren durch eine große Vielfalt an jugendbewegten Gruppierungen aus dem bündischen, konfessionellen und politischen Umfeld geprägt. Mit der Machtübernahme artikulierte die NS-Bewegung umgehend auch in diesem Bereich ihren absoluten Führungsanspruch und zielte auf die vollständige Ausschaltung aller übrigen Jugendorganisationen außerhalb ihrer eigenen ab. Nachdem bereits im Frühjahr 1933 die Arbeiterjugendbewegung aufgelöst worden war, folgten Mitte des Jahres Gleichschaltung bzw. Verbot der bündischen Gruppierungen. Während die Jugendgruppen des evangelischen Milieus Ende 1933 durch ein Abkommen zwischen Kirche und Regierung kurzerhand in die HJ überführt wurden, konnte die in Köln besonders bedeutsame katholische Jugendbewegung unter dem Schutz des Reichskonkordats noch für einige Jahre fortbestehen.

Der Preis hierfür war allerdings hoch, denn den katholisch organisierten Jugendlichen war jegliche Betätigung außerhalb eines eng definierten kirchlich- religiösen Bereichs untersagt. Hierzu zählten insbesondere Wanderungen und Fahrten in der jeweiligen »Kluft«. Da viele hierauf nicht verzichten wollten, sahen sie sich wie alle übrigen Gruppierungen außerhalb der HJ seit 1934 mit zunehmenden Verboten, vielfältigen Schikanen und an Härte zunehmender Verfolgung konfrontiert. Das traf insbesondere auf Jugendliche zu, die sich in lockeren Gruppen zum Singen und Diskutieren in Grünanlagen und Parks zusammenfanden oder am Wochenende auf Fahrt gingen. Zumeist noch von bündischem Gedankengut inspiriert, galten diese als »Navajos« bezeichneten unangepassten Jugendlichen dem NS-Regime und vor allem der HJ als besondere Provokation und Bedrohung. Die verschiedenen Gruppierungen der jüdischen Jugendbewegung wurden nach 1933 zwar nicht offiziell verboten, aber vollständig aus dem öffentlichen und sozialen Leben ausgegrenzt, sodass ihnen nur noch ein zunehmend eingeengtes Leben im Verborgenen blieb.

Hitlerjugend als »Staatsjugend«

»Deutschlands Zukunft ist seine Jugend!« hieß die Parole seit 1933 auch in Köln, wo im Oktober des Jahres im Rahmen einer HJ-Werbewoche gefordert wurde: »Hinein in unsere Reihen, hinein in die Hitler-Jugend!«. Für andere Gruppierungen blieb kein Raum mehr. Bis 1936 war aus der Parteiorganisation »Hitler-Jugend« eine »Staatsjugend« geworden.

Dabei waren die Anfänge der HJ – 1926 gegründet und seit 1931 als Jugendabteilung der SA unterstellt – überaus bescheiden. In Köln etwa zählte sie 1927 nur 70 Mitglieder, 1931 gehörten ihr im gesamten Gaugebiet Köln- Aachen etwa 2000 Jugendliche an. Die Mitgliedszahl der HJ stieg reichsweit von rund 100000 im Jahr 1932 auf mehr als 8,7 Millionen Jugendliche im Jahr 1939 an. Durch das »Gesetz über die Hitler-Jugend« wurde die zuvor zumindest formell freiwillige Mitgliedschaft im Dezember 1936 verbindlich, durch die Einführung der »Jugenddienstpflicht« im März 1939 dann sogar vorgeschrieben, sodass unter den Bedingungen der Zwangsmitgliedschaft nahezu alle Jugendlichen Mitglied der HJ wurden.

Unter dem organisatorischen Dach der HJ wurden die Jugendlichen nach Alter und Geschlecht getrennt in gesonderten Formationen erfasst. Im Deutschen Jungvolk (DJ) und im Jungmädelbund (JM) waren die Jungen und jüngeren Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren organisiert, in der HJ im engeren Sinne die männlichen Jugendlichen, im Bund Deutscher Mädel (BDM) die Mädchen von 14 bis 18 Jahren. Hinzu kamen zahlreiche Sonderformationen (z. B. Flieger-HJ, Marine-HJ, Reiter-HJ, Motor-HJ). Innerhalb der HJ wurde der Slogan »Jugend führt Jugend« propagiert, um eine – real so nicht existente – Unabhängigkeit von der Erwachsenenwelt zu suggerieren.

Zwischen Faszination und Zwang

Die Reichsjugendführung zielte darauf ab, die Jugend so früh wie möglich ideologisch zu beeinflussen, wobei die Jungen einer permanenten Wehrerziehung unterzogen, die Mädchen auf ihre Aufgabe als Mütter vorbereitet wurden. Kinder und Jugendliche sollten künftig ihre außerfamiliäre Freizeit straff organisiert in den Verbänden der HJ verbringen und so eine völlige Übereinstimmung mit dem NS-Staat entwickeln. Hinzu kamen vielfältige Formen der Lagererziehung, etwa im Landjahr oder Reichsarbeitsdienst, im Krieg schließlich in der »Erweiterten Kinderlandverschickung «.

Es wäre jedoch ein Trugschluss zu glauben, das NS-Regime habe die Jugendlichen in die HJ hineingezwungen. Bei allem Druck, der ausgeübt wurde, darf die durch allgegenwärtige Propaganda verstärkte Faszination nicht unterbewertet werden, die HJ und BDM auf viele Heranwachsende ausübten. Wandern und singen, jenseits der Erwachsenenwelt in neuen eigenen Heimen, die Teilnahme an perfekt inszenierten Großveranstaltungen oder auch das Gefühl des »Dazugehörens« ließen es für die meisten Kinder und Jugendlichen selbstverständlich erscheinen, aus freien Stücken Teil der Staatsjugend zu werden und dort Aufgaben zu übernehmen. Auch die innerhalb von HJ und BDM gebotenen Aufstiegschancen übten sicherlich auf viele Jugendliche einen großen Reiz aus.

HJ und Schule

Wichtig für die wachsende Bedeutung der HJ war auch, dass sie in kürzester Zeit innerhalb des Schulwesens eine starke Machtposition aufbauen und aggressiv ihre Interessen durchsetzen konnte. So wurden Lehrer und Schulbehörden nachdrücklich aufgefordert, die Mitgliedschaft in den NS-Jugendorganisationen zu fördern. Zudem erhielten HJ-Veranstaltungen vielfach Vorrang gegenüber schulischen Belangen. Das führte dazu, dass bereits Anfang 1936 90 Prozent der Kölner Volksschüler Angehörige der HJ waren. Jene Schülerinnen und Schüler, die dem Druck standhielten und nicht Mitglied der HJ oder des BDM wurden, hatten mit Ausgrenzung und Repressalien zu rechnen.

Zugriff auf die Schulen

Auch auf andere Art und Weise verstand es das NS-Regime, den totalen Zugriff auf die Jugend durch Eingriffe in das öffentliche Schulwesen zu unterstützen. Entsprechende Maßnahmen wurden bereits in den ersten Wochen und Monaten nach der Machtübernahme eingeleitet, wobei eine völlige Kontrolle aller Lehrer und Lehrerinnen und die Sicherung ihrer Loyalität wesentliche Ziele waren. So wurde nach Verabschiedung des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums « im Regierungsbezirk Köln im Frühjahr 1933 ein Ausschuss von »Vertrauensmännern« damit beauftragt, die politische Zuverlässigkeit aller Lehrkräfte zu überprüfen. In den folgenden Monaten wurden nicht nur die jüdischen und kommunistischen Lehrer entlassen, sondern zahlreiche politisch missliebige Pädagogen versetzt oder vorzeitig pensioniert. Bis Ende 1933 waren hiervon an den Kölner städtischen höheren Schulen und Berufsschulen rund zehn Prozent des Lehrpersonals betroffen. Allerdings verfügte das NS-Regime in der Lehrerschaft über erheblichen Rückhalt, und der größte Teil auch jener, die ihm nicht nahestanden, passte sich ohne größere Widerstände der neuen Situation an. Tatsächlich lässt sich in den Kölner Schulen Gegenwehr gegen Forderungen nationalsozialistischer Schulpolitik kaum nachweisen. Innerhalb kurzer Zeit änderten sich die Lerninhalte, wobei die NS-Ideologie nicht zu einem eigenen Fach, sondern zum Unterrichtsprinzip für alle Fächer wurde. Vermittlung von »Rassenkunde«, besondere Gewichtung des Sportunterrichts, spezifische Mädchenausbildung zur Hausfrau und Mutter sowie vormilitärische Erziehung der Jungen wurden so auch Kennzeichen nationalsozialistisch geprägter schulischer Ausbildung. »Weltanschauliche« Schulungen, Schulfeiern mit eindeutig politisch-ideologischem Hintergrund – etwa die Feiern zum »Geburtstag des Führers« oder zum »Tag der nationalen Arbeit« – und Rituale wie das morgendliche Hissen der Hakenkreuzfahne auf dem Schulhof prägten bald den schulischen Alltag. Nationalsozialistische Wertesysteme und Symbole wurden damit auch jenseits von HJ und BDM im Bewusstsein der Jugendlichen verankert, traditionelle, insbesondere christliche Werte dagegen verdrängt.

Entkonfessionalisierung der Schule

Das NS-Regime war von Beginn an bestrebt, den Einfluss der Kirchen an den Schulen zurückzudrängen, beispielsweise durch Einschränkungen des Religionsunterrichts oder Disziplinarverfahren gegen Religionslehrer. Auf die Kölner Privatschulen, die meist konfessionell gebunden waren, wurde Druck ausgeübt, um sie zur Auflösung oder zur Umwandlung in städtische oder staatliche Einrichtungen zu zwingen, ein Prozess, der bis 1939 weitgehend abgeschlossen war. In diesem Jahr wurde gegen erheblichen Widerstand der katholischen Kirche auch die von NS-Seite schon lange angestrebte Umwandlung der konfessionellen Volksschulen in Gemeinschaftsschulen vollzogen. Die in Köln bis dahin bestehenden 155 Bekenntnisschulen waren nunmehr »Deutsche Volksschulen«.

Rassistische Ausgrenzung aus den Schulen

Seit 1933 hatte das Regime mit verschiedenen Maßnahmen auch eine »rassische Trennung« in den Schulen eingeleitet. Den bis dahin selbstverständlichen Besuch jüdischer Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Schulen hatte das Regime erst eingeschränkt, dann Ende 1938 ganz verboten. Auf Initiative des Rassenpolitischen Amtes Gau Köln-Aachen erfolgte Anfang 1939 die Aussonderung auch der Kölner »Zigeunerkinder« aus den öffentlichen Schulen in eine gesonderte »Zigeunerklasse «, wo alle Altersgruppen zusammen unterrichtet wurden. Mitte 1942 wurde die letzte jüdische Schule in Köln, das Reform-Realgymnasium Jawne, durch Deportation der Schüler- und Lehrerschaft aufgelöst, im Frühjahr 1943 wurden auch die Kinder und Jugendlichen der »Zigeunerklasse« deportiert.

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