Das nationalsozialistische System beanspruchte den gesamten Menschen, nicht nur im politischen, sondern auch im privaten Bereich. Die politische Erfassung erfolgte durch die Partei und ihre Organisationen, die sämtliche Lebensbereiche und Altersstufen organisierten und die von der Reichsebene hinab bis in den einzelnen Wohnblock reichten. Wer nicht aus Begeisterung aktiv mitmachte oder sich nicht den Vorschriften und Zwängen des NS-Regimes fügte, sah sich dem Terrorapparat gegenüber.
Die NSDAP in Köln: Entscheidender Repräsentant der NSDAP in Köln war der Gauleiter des Gaus Köln-Aachen, Josef Grohé. Zu seinem Stab gehörte eine Reihe von Gauamtsleitern, die jeweils für Einzelgebiete zuständig waren: Gauschatzmeister, Organisation, Personalwesen, Kommunalpolitik, Rassenpolitik etc. Diese Positionen waren mit politischen Funktionären aus der »Kampfzeit « besetzt, die Grohé ergeben waren. Sitz der Gauleitung wurde 1934 nach dem Umzug der Universität in das neue Gebäude in Lindenthal die alte Universität in der Claudiusstraße am Rheinufer, die entsprechend den Vorstellungen der Partei repräsentativ umgestaltet wurde. Im Krieg erweiterte sich der Machtbereich des Gauleiters. 1942 wurde er Reichsverteidigungskommissar mit weitreichenden Befugnissen.
Abweichend von dem üblichen System, nach dem ein kommunaler Kreis einem Parteikreis entsprach, wurden aufgrund der Größe Kölns drei Parteikreise eingerichtet: Köln-Nord, Köln-Süd und Köln-Rechtsrheinisch. Im Kriege wurden sie 1942 zum Kreis »Hansestadt Köln« unter der Leitung von Alfons Schaller zusammengelegt.
Unterhalb der Kreise überzog ein Netz von Ortsgruppen die Stadt, besonders dicht in den stärker besiedelten Innenstadtbereichen, sehr weitmaschig in den mehr ländlichen Vorortbezirken im Norden und Osten der Stadt. Anfang 1942 gab es im Stadtgebiet 125 Ortsgruppen. Der Arm der Partei reichte bis in die einzelnen Wohnblocks: Zellenleiter und Blockwart kontrollierten die Bevölkerung bis hinein in den privaten Bereich, etwa bezüglich der Teilnahme am Eintopf essen oder der Beflaggung mit Hakenkreuzfahnen.
NS-Organisationen in Köln: Das NS-System zielte auf die Erfassung der gesamten Bevölkerung, von den 10–14-jährigen Jungen und Mädchen im Jungvolk und bei den Jungmädeln der Hitlerjugend bis hin zur SS und SA, die besonders in Köln stark vertreten war, oder der NS-Frauenschaft. Jeder Berufstätige musste in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) organisiert sein, in die – unter Leitung des früheren Kölner Gauleiters Robert Ley – die Gewerkschaften aufgegangen waren. Künstler mussten der Reichskulturkammer angehören, Lehrer dem NS-Lehrerbund, Juristen dem NS-Rechtswahrerbund. Eine wesentliche Aufgabe dieser Einrichtungen war die Kontrolle und die Schulung der Mitglieder, deren berufliche Stellung und Entwicklung damit wesentlich vom Wohlwollen der Partei abhing.
Die staatlichen Behörden bestanden nach 1933 fort, wurden vor allem in den Führungspositionen mit Regimeanhängern besetzt und arbeiteten so auch unter dem neuen System durchaus im Sinne des Nationalsozialismus mit. Daneben aber wurden neue Behörden eingerichtet, die in besonderer Weise national sozialistische Zielsetzungen verwirklichen sollten und die vor allem Instrumente des politischen Terrors waren.
Staatsbehörden: Durch die »Gleichschaltung« waren die Spitzenpositionen in den Staatsbehörden in den Händen von Nationalsozialisten. So war Dr. Rudolf zur Bonsen, der als Katholik den Nationalsozialismus mit seiner religiösen Überzeugung zu vereinbaren suchte, 1933 Regierungspräsident des Regierungsbezirks Köln geworden. Er geriet aber rasch in das Spannungsfeld zwischen Nationalsozialisten und der katholischen Kirche in Köln und wurde bereits 1934 abgelöst. An seine Stelle trat der zwielichtige Rudolf Diels, zuvor in Berlin Leiter der Gestapozentrale, dessen Stellung von vornherein sehr umstritten war. Bereits 1936 wurde er von dem Aachener Regierungspräsidenten Eggert Reeder abgelöst, der den Ruf eines tüchtigen Verwaltungsfachmanns hatte und der ab 1940 Chef der Militärverwaltung im besetzten Belgien und Nordfrankreich wurde. Auch die übrigen Spitzenstellen der regionalen staatlichen Verwaltungsbehörden wurden mit Nationalsozialisten besetzt.
Stadtverwaltung: Mit Dr. Günter Riesen war Anfang 1933 ein Nationalökonom in das Amt des Oberbürgermeisters gelangt, der zwar über keine lange Parteizugehörigkeit verfügte, aber in eine angesehene Kölner Familie ein geheiratet hatte. In die Ämter der Beigeordneten waren verdiente Nationalsozialisten aus der Umgebung des Gauleiters Grohé eingerückt. Die Stadtverordnetenversammlung bestand seit Mitte 1933 nur noch aus Anhängern der NSDAP und Vertretern aufgelöster Parteien, die sich der Fraktion der NSDAP als »Hospitanten« angeschlossen hatten.
Grundlage der neuen Kommunalverfassung war die Deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935. Danach war formell der Oberbürgermeister »Führer« der Verwaltung; faktisch aber bestimmte Gauleiter Grohé – nach der Kommunalverfassung nur »Beauftragter der Partei« – die Geschicke der Stadt. Die »Ratsherren« bildeten kein Beschlussorgan mehr, bestanden aber gleichwohl ausschließlich aus verdienten Nationalsozialisten.
1936 wurde Riesen abgelöst und durch den Gauwirtschaftsberater der NSDAP und Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Dr. Karl-Georg Schmidt ersetzt, der bereits Ende 1940 verstarb. Seine Nach folge trat Anfang 1941 Dr. Peter Winkelnkemper an, bisher Hauptschriftleiter des aggressiven nationalsozialistischen Blattes »Westdeutscher Beobachter«. Er fand 1944 den Tod. Danach wurde das Amt kommissarisch durch Bürgermeister Robert Brandes verwaltet.
Polizei: Kölner Polizeipräsident blieb bis 1935 der erst 1932 eingesetzte nationalkonservative Walther Lingens, der weitgehend die Politik der Nationalsozialisten umsetzte. Er wurde 1935 durch den SA-Brigadeführer Walter Friedrich Hoevel abgelöst.
Dem Polizeipräsidenten unterstand die uniformierte Schutzpolizei (seit 1936 »Ordnungspolizei«), die auch im NS-Staat für die öffentliche »Sicherheit und Ordnung« zuständig war. Die NS-Propaganda präsentierte die Schutzpolizei als »Freund und Helfer des Volkes«. Gleichzeitig wirkten Schutzpolizisten an Verhaftungsaktionen gegen Oppositionelle und Randgruppen, an der Kontrolle von Zwangsarbeitern und der Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung mit – in enger Zusammenarbeit mit der Gestapo. Während des Zweiten Weltkrieges waren Schutzpolizisten in den Polizeibataillonen an Massenmorden beteiligt.
Die Kriminalpolizei bildete ab 1936 mit der Gestapo die »Sicherheitspolizei« und wurde 1939 über das »Reichssicherheits hauptamt« mit der SS verbunden. Sie war im NS-Staat nicht nur für die Aufklärung von Straftaten zuständig, sondern auch für die »Säuberung« der »Volksgemeinschaft« von Kriminalität und abweichendem Verhalten. Die Kripo übernahm die systematische Verfolgung von »Berufsverbrechern « und als »asozial« stigmatisierten Personen (etwa Obdachlose, Wohlfahrtsempfänger oder Prostituierte). Sie betrieb die Ausgrenzung von Homosexuellen und organisierte die rassistische Erfassung und Deportation von »Zigeunern « (Sinti und Roma). Die Kriminalbeamten konnten Straftäter oder Angehörige sozialer Randgruppen ohne konkreten Straftatverdacht und ohne richterliche Kontrolle für unbestimmte Zeit in ein KZ einweisen.
Justiz: Auch die führenden Positionen in der Justiz übernahmen regimetreue Beamte. Besonders der neue Kölner Landgerichtspräsident Walter Müller tat sich als scharfer Vertreter des Nationalsozialismus hervor. Spezielle Instrumente der politischen Justiz wurden vor allem die 1933 eingerichteten Sondergerichte. Sie gingen zunächst gegen Oppositionelle, Kritik am NS-Staat oder Beleidigungen der NSDAP vor. Seit Kriegsbeginn waren sie auch für »normale « Straftaten zuständig, die als besonders »verwerflich« oder gefährlich angesehen wurden. Bei den Verfahren vor dem Sondergericht wurden rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft gesetzt. Seit Kriegsbeginn fällten die Sondergerichte immer drastischere Urteile und verhängten auch bei geringfügigen Delikten die Todesstrafe.
Haftstätten und Gefängnisse: Bereits in den ersten Wochen und Monaten nach der Machtübernahme wurden zahlreiche Hundert politische Gegner misshandelt, in »Schutzhaft« genommen und in staatlichen Gefängnissen oder kurzerhand eingerichteten lokalen Lagern unter SA-, SS- und Polizeibewachung gefangen gehalten. Allein im März 1933 gab es rund 1000Verhaftungen im Regierungsbezirk Köln. Die meisten Betroffenen waren Kommunisten oder SPD-Angehörige und Gewerkschafter. Sie waren schutzlos einer unbegrenzten Willkür ausgeliefert.
Eine wichtige Haftstätte für politische Gefangene war die Provinzial-Arbeitsanstalt in Brauweiler westlich von Köln. Teile der Anstalt wurden 1933/34 als »Konzentrationslager Brauweiler« genutzt. In den 1940er Jahren belegte die Kölner Gestapo den Zellenbau fast vollständig mit Gefangenen. Als Haftstätte war Brauweiler meist Durchgangsstation – die Gefangenen wurden anschließend der Justiz übergeben oder in ein Konzentrationslager überstellt.
Das Gefängnis Klingelpütz in Köln und die Strafanstalten in Siegburg, Rheinbach und Wittlich gehörten zum Kölner Oberlandesgerichtsbezirk und unterstanden der Justiz. In den Anstalten waren zahlreiche Gegnerinnen und Gegner des NS-Regimes inhaftiert. Die Haftbedingungen veränderten sich seit 1933 für alle Gefangenen grundlegend. Überbelegung, Unterversorgung, Misshandlung und Rassenpolitik prägten den Strafvollzug.
Der Klingelpütz hatte nicht nur wegen seiner Größe – von 1933 bis 1945 waren schätzungsweise 100000 Menschen hier in Straf- oder Untersuchungshaft – eine herausragende Bedeutung. Berüchtigt war er wegen der Hinrichtungen, deren Zahl auf über 1000 Personen geschätzt wird. Das Kölner Gerichtsgefängnis war Richtstätte mehrerer rheinischer Sondergerichte und für Soldaten, die von der Militärjustiz zum Tode verurteilt wurden. Spätestens ab Herbst 1944 nutzte die Gestapo einen Flügel des Klingelpütz als Haftstätte.
Konzentrationslager: Nach den Massenverhaftungen gegen politische Gegner 1933/34 wurde unter Heinrich Himmler und der SS ein neues Lagersystem geschaffen. Regionale Lager wie das in Brauweiler wurden aufgelöst und einige große Konzentrationslager strategisch im Reich verteilt. Zum KZ Dachau kam 1936 Sachsenhausen hinzu, Buchenwald und Ravensbrück folgten 1937 und 1939. Bis Kriegsende gab es im Reich 22 KZ-Hauptlager mit etwa 1000Außenlagern. In ihnen herrschten Unterversorgung, Arbeitsterror, unbegrenzte Gewalt und permanente Todesgefahr. Viele Hundert Männer und Frauen wurden aus Köln in Konzentrationslager verschleppt. Auch Juden sowie Sinti und Roma waren Häftlinge in Konzentrationslagern. Die Massendeportationen aber erfolgten seit 1940 von Köln aus in die Ghettos im besetzten Osteuropa. Dort und in eigens eingerichteten Vernichtungslagern wurden die Völkermorde begangen.
Aufgabe: Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) gilt als das wichtigste und am meisten gefürchtete Herrschaftsinstrument des Nationalsozialismus. Sie ging im April 1933 aus der Politischen Polizei Preußens hervor. Die anderen Länder des Deutschen Reiches folgten bald. Zu den wesentlichen Aufgaben der Gestapo zählten die Überwachung der Bevölkerung und die Verfolgung der Gegner des NS-Regimes. Aus politischen Gründen wurden vor allem Kommunisten, Sozialdemokraten und Linkssozialisten, aus rassistischen Gründen vor allem Juden verfolgt. Auch Vertreter der christlichen Kirchen und der Zeugen Jehovas sowie Angehörige der Jugendbewegung waren staatspolizeilicher Repression ausgesetzt. In den Kriegsjahren zog die Staatspolizei weitere Aufgaben an sich. Sie verstand sich als »Hüterin der Heimatfront« und ging u.a. zunehmend gegen »Meckereien« und das Abhören ausländischer Sender, gegen tatsächliche oder vermeintliche Verstöße gegen die Disziplin am Arbeitsplatz, Sabotage oder »Wehrkraftzersetzung« sowie andere Formen unangepassten Verhaltens vor. Ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene verfolgte die Gestapo besonders brutal.
Organisation: Die Geschichte der Gestapo ist durch mehrere grundlegende organisatorische Umstrukturierungen gekennzeichnet. Mit ihnen wurden zwei Ziele verfolgt: die Zentralisierung der bis dahin in Länderhoheit befindlichen Polizei auf Reichsebene – im damaligen Sprachgebrauch deren »Verreichlichung« – und die wachsende Verknüpfung mit der SS. Im Ergebnis unterstand die Polizei der SS-Führung. Der »Reichsführer-SS« Heinrich Himmler wurde im Juni 1936 zum »Chef der deutschen Polizei« ernannt , die Gestapo wurde Reichsbehörde, mit der Kriminalpolizei zur »Sicherheitspolizei« vereinigt und schließlich in das 1939 geschaffene »Reichssicherheitshauptamt« in Berlin, Prinz- Albrecht-Straße 8, eingegliedert. Der Zentrale der Gestapo in Berlin unterstand eine Reihe von Staatspolizeileitstellen (auf der Ebene der Provinzen) sowie Staatspolizeistellen. Köln war Sitz einer Staatspolizeistelle und damit der Staatspolizeileitstelle in der Rheinprovinz mit Sitz in Koblenz (bis 1939) bzw. Düsseldorf (ab 1939) untergeordnet. Die Staatspolizeistelle Köln war zuständig für den Regierungsbezirk Köln, ab 1943 auch für den Regierungsbezirk Aachen. Sie besaß seit 1938 in Bonn und seit 1943 in Aachen eine Außenstelle.
Machtmittel: Das wesentliche Machmittel der Gestapo war die »Schutzhaft«, mit dem das Grundrecht der persönlichen Freiheit außer Kraft gesetzt wurde. Sie ermöglichte – ohne rechtsstaatliche Kontrolle – willkürliche Verhaftungen und zeitlich unbegrenzte Haft bis hin zur Einweisung in Konzentrationslager. »Verschärfte Vernehmung« war der Tarnbegriff für die Folter von Häftlingen zur Erpressung von Aussagen und »Sonderbehandlung« für die ohne Gerichtsurteil vollstreckten Exekutionen. Seit 1940 entstanden »Arbeitserziehungslager « als eigenständige staatspolizeiliche Haftstätten, die nicht der SS, sondern direkt den regionalen Gestapodienststellen unterstellt waren. Hier wurden ähnliche Methoden wie in den Konzentrationslagern angewandt, doch in »Arbeitserziehungslagern« war die Haftdauer begrenzt, weil man die Häftlinge möglichst bald wieder in der Kriegswirtschaft einsetzen wollte. Die Gestapo verfügte über eine Reihe von weiteren unterschiedlich abschreckenden Mitteln wie Überwachung und Bespitzelungen, Vorladung, Verhör oder »staatspolizeiliche Warnung«. Die Gestapo war auf die Mitwirkung der deutschen Gesellschaft angewiesen: Zahlreiche Denunziationen aus der Bevölkerung trugen dazu bei, dass die Gestapo das wesentliche Terrorinstrument des NS-Systems wurde.
Personal: Die Zahl der Kölner Gestapobeamten war – wie anderenorts – vergleichsweise gering. Ende 1939 waren etwa 100 Beamte im Außen- und Innendienst der Kölner Zentrale und ihrer Nebenstellen beschäftigt, im April 1942 waren nur noch etwa 70 Personen im Ermittlungsdienst tätig. Auch die Zahl der V-Leute war nicht sonderlich groß. Die Gestapoleiter waren auch in Köln – zumeist promovierte – Juristen und durchschnittlich 35 Jahre alt, als sie ihren Dienst antraten. Durch häufige Wechsel hatte die Kölner Gestapo neun Leiter in zwölf Jahren. Für sie war Köln eine Zwischenstation; meist suchten sie ihre Karrierechance in der Berliner Zentrale oder in den besetzten Gebieten und den sicherheitspolizeilichen Einheiten im Krieg. Dort waren viele der Kölner Gestapochefs verantwortlich für Massenerschießungen und Deportationen der jüdischen Bevölkerung. Gegen Kriegsende bildete die Kölner Gestapo mehrere Sonderkommandos, die mit äußerster Brutalität gegen vermeintliche »Staatsfeinde« und Regimegegner vorgingen. Zu den führenden Köpfen der Kommandos gehörten Beamte, die schon in der Weimarer Republik im Polizeidienst gewesen waren, so Josef Hoegen und Ferdinand Kütter, die zu den berüchtigtsten und gewalttätigsten Kölner Gestapobeamten zählten.