Hier finden Sie in lockerer Folge Berichtesnwertes aus dem NS-DOK. In kleinen Geschichten und Berichten informieren wir Sie über Neuigkeiten und machen Sie auf Dinge aufmerksam, die wir für interessant und wichtig halten.
Das NS-DOK beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Geschichte der Jugend und der Jugendbewegungen zwischen 1918 und 1945. Im Rahmen dieser Forschungen und der damit einhergehenden Sammlungstätigkeit wurden auch Geschichte und Bedeutung der Hitlerjugend ausführlich untersucht und 2016 im Rahmen einer großen Ausstellung unter dem Titel „Jufend im Gleichschritt!? – Die Hitlerjugend zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ präsentiert, die als Web-App hier einsehbar ist.
Im Zuge der Recherchen zum Thema gelangte auch ein eher ungewöhnliches Tagebuch aus dem Jahre 1943 ins NS-DOK-Archiv. Es stammt aus der Feder eines „Fähnlein-Führers“ der Wiener (!) HJ, der darin allerdings weniger über seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten berichtet, als vielmehr über seine Freizeitgestaltung, die eher von Kino-Besuchen und amourösen Abenteuern bestimmt wurde.
Ergänzt um zahlreiche Kino-Karten, Fahrscheinen und – zumeist persönlichen – Briefen eröffnet das Dokument für den Zeitraum von Mai bis August 1943 durchaus überraschende Einblicke in das Leben eines zwar ambitionierten, aber auch heftig pubertierenden HJ-Führers. Auch hier stellt sich also wieder die Frage vom Verhältnis zwischen der Forderung nach einem quasi asexuellen und sich aller Genüsse enthaltenden Verhalten der HJ-Angehörigen und Realität des Alltags.
Das Tagebuch als vollständiges Faksimile mit kompletter Transkription finden Sie hier. Der ehrenamtlich für das NS-DOK transkribierenden Rotraud Jaschke ist es sogar gelungen, die an besonders „pikanten“ Stellen des Tagebuchs verwendete Geheimschrift zu dechiffrieren! Lassen Sie sich überraschen.
Traudel Strohscheid und Hugo Reihn waren zwei jener unangepassten Jugendlichen aus Köln und Umgebung, die während des Krieges unter dem Namen „Edelweißpiraten“ an Wochenenden vorwiegend im Bergischen Land und im Siebengebirge auf Fahrt gingen.
Im Rahmen jährlicher „Großfahrten“ erkundeten Sie allerdings im Sommer gern auch sehr viel weiter entfernte Gegenden, wobei insbesondere die Alpen und der Schwarzwald besondere Anziehungskraft ausübten.
Traudel Strohscheid und Hugo Reihn zählten zu den wenig bekannten Beispielen, die ihre Erlebnisse im Rahmen solcher Wanderungen und Fahrten zu Papier brachten und so für die Nachwelt konservierten.
Hier haben Sie nun – zumindest für den Kölner Raum unseres Wissens erstmalig – die Gelegenheit, den Spuren der beiden Unangepassten, die oftmals auch zusammen „auf Fahrt“ gingen, zu folgen. Liesels Fahrtenbuch ist hier einsehbar, jenes von Hugo finden sie hier. Von ihm gibt es zudem noch ein Liederbuch, in dem er all jene „Hits“ notierte, die in den Gruppen der Unangepassten bevorzugt gesungen wurden. Sie finden es hier.
Am 25. Juni 2019 errichte uns eine Mail vom Pommerschen Landesmuseum in Greifswald, wo man gerade eine landesgeschichtliche Dauerausstellung zum 20. Jahrhundert vorbereitet, die im nächsten Jahr präsentiert werden soll. „Mit vertiefenden Exkursen“, so hieß es, wolle man „auch auf die Gleichschaltung des gesellschaftlichen Lebens und besonders auf die Indoktrination der Jugend für die Ziele des NS-Staates eingehen“.
Hierzu diente nicht zuletzt das vom NS-Regime 1935 eingerichtete „Landjahr“, dessen Intentionen auf der „Jugendwebsite“ intensiv behandelt werden und dem sich auch die „Editionen zur Geschichte“ (EzG) im vergangenen Jahr mit einem eigenen Projekt zum Thema "Lagererziehung" widmeten.
Das agrarische Hinterpommern war ein bevorzugtes Zielgebiet für Landjahrlager, weshalb man aus Greifswald anfragte, ob man die einschlägigen Texte der Website für eigene Zwecke nutzen könne. Man beabsichtige zudem, diese Ausführungen mit einem „Landjahrbuch“ aus dem Lager Sassin zu verbinden, das man im Haus archiviert habe, und dessen Texte und Bilder ein anschauliches Bild des Landjahreinsatzes unter dem Zeichen der NS-Ideologie geben würde.
Die Genehmigung war so selbstverständlich wie schnell erteilt, wurde aber mit der Frage verknüpft, ob das NS-DOK im Gegenzug ein Faksimile des „Landjahrbuchs“ erhalten könne, um es in die EzG zu integrieren und so allgemein zugänglich zu machen. Dieser Bitte wurde ebenso schnell entsprochen, so dass die interessante Quelle nun jederzeit jederfrau und jedermann zur Verfügung steht. Sie finden sie hier.
Abschließend noch einen herzlichen Dank für die unkomplizierte Kooperation nach Greifswald und viel Erfolg mit der neuen Ausstellung, die noch in diesem Jahr eröffnet werden soll“
Anfang Juni 2019 meldete sich Martina Haake im NS-DOK und fragte nach, ob eventuell Interesse an zwei dünnen Heftchen bestehe, in denen ihre 1930 geborene Mutter Maria zwischen November 1942 und Dezember 1944 Tagebucheintragungen niedergelegt habe.
Und ob Interesse bestand! Nachdem Frau Haake die Materialien mit einigen Zusatzinformationen vorbeigebracht hatte, wurden sie umgehend digitalisiert und bearbeitet. Nunmehr stehen sie der Forschung und allen interessierten auf der ebenfalls vom NS-DOK betriebenen Website „Editionen zur Geschichte“ sowohl als Faksimiles als auch als Transkription zur Verfügung. Sie können das Tagebuch hier einsehen.
Es enthält eine so anrührende wie interessante Mischung aus Jungmädchen-Alltag und traumatisierenden Erfahrungen im Bombenkrieg. Maria Etheber erzählt darin Geschichten von Zerstörung, Evakuierung und Tod, gewährt aber auch Einblicke in den „normalen“ kriegsbestimmten Alltag in Familie und Schule.
Alle, die solche oder ähnliche Selbstzeugnisse (Tagebücher, Feldpostbriefe, Fotoalben etc.) besitzen, werden gebeten, diese dem NS-DOK – gern auch leihweise - für seine Arbeit zur Verfügung zu stellen.
Sehr oft wird die NRW-Schulministerin Gebauer es nicht erleben, dass sie mit Schülerinnen und Schülern in einer Kleingruppe diskutiert. Bei ihrem Besuch im NS-Dokumentationszentrum am 20. Oktober 2017 war aber genau das der Fall.
Im Rahmen der landesweiten Initiative „Bildungspartner NRW“ zeigten Schülerinnen und Schüler der Oberstufe des Gymnasiums Kreuzgasse am Beispiel von Richard Rosendahl, was sie – unterstützt durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bibliothek und der Dokumentationsabteilung des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln - über den ehemalige jüdischen Schüler des Gymnasiums erfahren konnten. Anschließend diskutierten alle Anwesenden anhand von Unterlagen seines Falles in kleinen gemischten Gruppen über die Frage von Entschädigung NS-Verfolgter. In der Dauerausstellung und der Gedenkstätte beleuchteten der Direktor des Hauses, Dr. Werner Jung, und die Museumspädagogin Barbara Kirschbaum am Bespiel von Sinti und Roma und von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern den Umgang mit den Entschädigungen für diese Personenkreise.
Die Begegnung war vor allem dem Engagement der Studienrätin Silke David zu danken, die mit ihren Schülerinnen und Schülern seit 2010 im Rahmen der Bildungskooperation Schule und Museum/Archiv/Bibliothek ein Erinnerungskonzept entwickelt hat, in dessen Rahmen schrittweise die Schicksale der verfolgten ehemaligen Schüler des Gymnasiums Kreuzgasse erforscht werden. Jedes Jahr werden als Ergebnis der Recherchen für jene ehemaligen Schüler, die Opfer des NS-Regimes geworden sind, Stolpersteine in der Nähe der Schule verlegt. Auch bei den jährlich stattfindenden Veranstaltungen zum Kölner Jugend-und Schüler-Gedenktag anlässlich der Befreiung des KZ Auschwitz am 27. Januar sind stets Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Kreuzgasse vertreten. Ihre Präsentationen dienen zahlreichen anwesenden Schulen als Anregung, sich auch mit der Vergangenheit ihrer eigenen Schule zu beschäftigen.
Dieses Bild hing in der Ausstellung, die im NS-Dokumentationszentrum im Januar 2017 zum 20. Jugend- und Schüler-Gedenktag gezeigt wurde. Emily Schnettger von der Käthe Kollwitz Gesamtschule in Leverkusen hat es nach einem Pressefoto gemalt und dazu folgenden Text geschrieben.
„Auf meinem Bild sieht man einen syrischen Flüchtlingsjungen, der die Kameras der Journalisten mit Waffen verwechselt.
Besonders schockierend daran ist, dass der Junge seine Arme routiniert hoch nimmt und dabei traurig mit Schmollmund direkt in die Kamera guckt.
Ich habe das Originalfoto durch Reduktion, Vergrößerung bzw. Verkleinerung und teilweise Hinzufügung verschiedener Bildelemente verändert. Zudem habe ich die ursprünglichen Farben verändert.“
Das Besondere an Emilys Bild liegt in der Veränderung. Im Hintergrund finden sich nun eine Vielzahl von Kameras, die das entsetzte Kind fotografieren. Die Agenturen liefern uns die Fotos des Krieges, je mehr sie ans Herz gehen, desto besser lassen sie sich verkaufen. Es wird sehr klar, dass der Junge hier zum Objekt gemacht wird. Indem Emily aber das Kind mit dem strahlenden Kreis umgibt, stellt sie seine Person und sein Leid wieder in den Mittelpunkt. Sie verändert auch die Kleidung des Kindes: Durch das kindliche Teddy-T-Shirt wird noch einmal betont, wie klein und schutzbedürftig das Kind ist.
Ich frage mich, wie ich auf die Bilder des Krieges in der Presse reagiere, und welche Konsequenzen sie wohl haben – außer vielleicht einer Auflagensteigerung der Illustrierten oder einer Steigerung des Marktwertes des Fotografen. Was passiert wohl weiter mit dem Kind? Und: Wo stehe ich - als Zuschauende?
Barbara Kirschbaum
Museumspädagogin im NS-Dokumentationszentrum
Wir haben uns oft gefragt, was wohl die beiden Kollegen der ehemaligen Wachmannschaft des EL-DE-Hauses machen, nachdem sie 2015„zwangspensioniert“ worden sind – im Alter von 88 bzw. 89 Jahren!
Nun wissen wir es: Herr Vielhaber zieht mit seiner selbstgebauten Drehorgel durch die Kölner Altstadt, und Herr Lauter zeichnet ihn dabei. Das sind doch richtige Alternativen!
Wir freuen uns, beide so wohlauf zu wissen!
Ministerin Christina Kampmann besuchte am Donnerstag, den 19. Januar 2017 das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln. Anlass war die Vorstellung der Kölner Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Rahmen eines Pressegespräches. "Die Zahl rechtsmotivierter Taten hat gerade im letzten Jahr massiv zugenommen. Umso wichtiger ist es, das Engagement der Zivilgesellschaft in der Prävention gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu unterstützen. Die Menschen brauchen Unterstützung, wenn sie bedroht werden oder sich in Bündnissen gegen Rechts organisieren wollen", erklärte Ministerin Kampmann.
Die Mobile Beratung des Regierungsbezirks Köln ist eine von fünf Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Sie berät Einzelpersonen, aber auch Vereine, Verbände und Institutionen im Umgang mit rechtsextremen Erscheinungsformen zu beraten. Gleichzeitig bieten sie ihre Expertise zum Thema sowie umfangreiche Recherche und Analyse an.
Aktuell begleitet die Mobile Beratung beispielsweise das Bündnis „Bunter Rhein-Sieg-Kreis“, das sich Anfang 2016 in der Region gebildet hat. Im Rhein-Sieg-Kreis sind die NPD, kleinere Neonazi-Gruppen, die AfD sowie die „Identitäre Aktion“ aktiv. Aus der rechten Szene heraus hat es bereits Bedrohungen gegen Politikerinnen und Politiker gegeben. Das Bündnis „Bunter Rhein-Sieg-Kreis“ ist breit aufgestellt, seine Mitglieder gehören nicht nur die demokratischen Parteien an. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Arbeiterwohlfahrt und andere Initiativen engagieren sich darin.
An dem Pressegespräch, zu dem zahlreiche Medienvertreter/innen erschienen waren, beteiligten sich: Dr. Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums, Familienministerin Christina Kampmann, Patrick Fels und Vertreter/innen der anderen Träger Mobiler Beratung gegen Rechtsextremismus in NRW sowie Mario Dahm vom Bündnis „Bunter Rhein-Sieg-Kreis“. Im Anschluss führte Werner Jung Frau Kampmann durch die Gedenkstätte. Die Ministerin zeigte sich beeindruckt vom Haus und von den vielen Aktivitäten, die vom NS-DOK ausgehen.
Das Buch „Bilder einer Stadt im Nationalsozialismus. Köln 1933 – 1945“ ist ein einzigartiger Bildband über die Zeit des Nationalsozialismus in Köln. Es enthält auf 544 Seiten über 1.400 Fotografien und kostet lediglich 29,95 Euro. Die Bilder sind zum großen Teil bislang unveröffentlicht und stammen überwiegend aus dem umfangreichen Bildbestand des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln. Lediglich einige Aufnahmen (etwas mehr als fünf Prozent der abgedruckten Fotos) sind wegen des Bildmotivs aus anderen Archiven aufgenommen worden. Der Bestand des NS-DOK zählt rund 125.000 Bilder. Dazu gehören offizielle Fotografien, die im Auftrag der örtlichen NSDAP oder der NS-Presse gemacht wurden, und zahlreiche Aufnahmen von Privatpersonen.
Der Bildband eröffnet einen neuen Blick auf die Geschichte Kölns im Nationalsozialismus. Die Aufnahmen zeigen Aufstieg und Machtübernahme der Nationalsozialisten, das Alltagsleben und die Etablierung der Herrschaft in der selbsternannten „Metropole des Westens“ sowie Krieg und Kriegsgesellschaft bis zur völligen Zerstörung der Stadt. Neben Abbildungen von offiziellen Inszenierungen der Machthaber bieten zahlreiche private Aufnahmen persönliche Blicke auf die Stadt. Die Bilder machen deutlich, wie tief der Nationalsozialismus in das Leben der Kölnerinnen und Kölner hineinwirkte.
Herausgeber des Buches ist der Direktor des NS-Dokumentationszentrums, Dr. Werner Jung. Die Fotografien wurden im Lauf der letzten Jahre und Jahrzehnte dem NS-Dokumentationszentrum insbesondere von Einzelpersonen überlassen. Daher verbindet das NS-DOK das Erscheinen des Buches mit dem Aufruf an die Bürgerinnen und Bürger Kölns und darüber hinaus, Fotografien aus Nachlässen von Familienangehörigen nicht zu entsorgen, sondern sie für die Nachwelt zu sichern und dem NS-DOK zu überlassen.
Der Öffentlichkeit wird das Buch am Abend des gleichen Tags in einem Festakt im NS-Dokumentationszentrum um 19.00 Uhr vorgestellt. Dort sprechen Susanne Laugwitz-Aulbach, Beigeordnete für Kunst und Kultur der Stadt Köln, und der Verleger Hejo Emons. Dr. Carl Dietmar wird im Gespräch mit dem Herausgeber Werner Jung und dem Grafiker Jörg Weusthoff das Buch vorstellen. Musikalische Beiträge von Rolly und Benjamin Brings mit Klaus dem Geiger sowie vom Marcus Reinhardt Ensemble.
Werner Jung (Hg.)
Bilder einer Stadt im Nationalsozialismus. Köln 1933 – 1945
Köln: Emons Verlag 2016
ISBN 978-3-7408-0014-7
544 Seiten, 1400 Abbildungen
29,95 Euro
Die 87-jährige Jaqueline van Maarsen, besucht am 6. Oktober 2016, das NS-DOK und erzählt von ihrer abenteuerlichen Rettung vor einer Deportation in ein Vernichtungslager. Eine Rettung, die sie einem deutschen Nationalsozialisten zu verdanken hat.
Jaqueline van Maarsen und Anne Frank waren in Amsterdam beste Freundinnen. Die Familie von Anne Frank tauchte unter, um sich vor der Deportation zu schützen. Sie wurden verraten und deportiert. Anne Frank starb im Alter von 15 Jahren im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Jaquelines van Maarsens Mutter, eine Christin, versuchte ihre Tochter mit einer Notlüge vor der Deportation und dem sicheren Tod zu schützen. Sie beantragte, die Kennzeichnung ihrer Tochter im Pass als sogenannter „jüdischer Mischling“ zu löschen. Sie gab an, ihre Tochter sei christlich erzogen worden.
Hans Calmeyer, „Rassereferent“ in den von der deutschen Wehrmacht besetzten Niederlanden hatte in solchen und ähnlichen Zweifelsfällen Abstammungsprüfungen durchzuführen. Calmeyer gab dem Antrag von Jaquelines Mutter statt. Damit rettete er das Leben von Jaqueline van Maarsen und auch das ihres Vaters. Calmeyer hatte bei rund 5.700 Überprüfungen in zwei Drittel aller Fälle zugunsten der Antragsteller entschieden und sie damit vor der Deportation bewahrt.
Der Jurist und Bundestagsabgeordnete Dr. Mathias Middelberg verfasste über Hans Calmeyer eine Biografie mit dem Titel „Wer bin ich, dass ich über Leben und Tod entscheide?“ Hans Calmeyer – „Rassereferent“ in den Niederlanden 1941–1945. Er berichtet am 6. Oktober 2016, 19 Uhr in der Veranstaltung „Wer bin ich, dass ich über Leben und Tod entscheide?“ Hans Calmeyer – „Rassereferent“ in den Niederlanden 1941–1945 über das Leben eines Mannes der Retter und Täter in einer Person war. Im Anschluss moderiert Dr. Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln, ein Gespräch mit Dr. Mathias Middelberg und Jaqueline van Maarsen über die Zeit der deutschen Besatzung in den Niederlanden und die Rettung von Jaqueline van Maarsen.
Der alle zwei Jahre bundesweit stattfindende „Tag der Archive“ wurde am 5. März – und das bereits zum 8. Mal – auch in Köln vom hiesigen „Arbeitskreis Kölner Archivarinnen und Archivare“ (AKA) durchgeführt. 2016 stand die Veranstaltung unter dem Motto „Tonspuren in Kölner Archiven“.
Das NS-DOK war auch in diesem Jahr wieder unter den 20 Kölner Archiven vertreten und nutzte die Chance, seine Arbeit im Rahmen einer gemeinsamen Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) vorzustellen.
Die aus diesem Anlass vom NS-DOK zusammengestellte Vitrine präsentierte anhand von Archivalien einen Querschnitt durch seine Bestände. Gezeigt wurden beispielsweise Liederbücher der Hitlerjugend von 1934, ein Liederbuch des Kölner "Navajos" Hans Strunk aus den 1930er Jahren, Fotografien zur Bündischen Jugend von Gertrud Koch sowie Fotos und Stimmungslieder des jüdischen Kölner Karnevalisten Hans David Tobar.
Aber nicht nur das. Eng mit den ausgestellten Archivalien verknüpft wurde den Besucherinnen und Besuchern ein Zugang zu ausgesuchtem Audiomaterial geboten. So gab es etwa ein von dem ehemaligen Zwangsarbeiter Georgij Plaskota vorgetragenes Zwangsarbeiter-Lied zu hören, das während des Zweiten Weltkriegs im „Ostarbeiterlager“ der Ford-Werke AG in Köln-Niehl gesungen wurde. Weitere Hörbeispiele waren das zur gleichen Zeit von widerständigen Kölner Edelweißpiraten gern gesungene Lied „In Junkers Kneipe“ in einer Version von Jean Jülich und ein „Sprechender Feldpostbrief“ eines Kölner Soldaten aus dem Jahr 1943.
Das Angebot stieß auf reges Publikumsinteresse, was neben anerkennenden Kommentaren auch in zahlreichen interessierten Nachfragen zum Ausdruck kam.
Das Dokumentationsteam des NS-DOK jedenfalls war hochzufrieden und freut sich bereits auf den nächsten „Tag der Archive!
Die erste Neuauflage von Hitlers „Mein Kampf“ seit 1945 hat eine Debatte darüber ausgelöst, ob die Veröffentlichung nicht rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Vorstellungen Vorschub leistet. Für neonazistische Kreise selbst ist „Mein Kampf“ nicht so sehr wegen seiner Inhalte attraktiv (diese konnten auch bislang im Netz rezipiert werden, sie wurden jedoch innerhalb der extremen Rechten nur wenig diskutiert). Ihnen geht es vor allem um die Symbolkraft des Bezugs zum Nationalsozialismus.
Der Rückgriff auf die Geschichte hat bei den extremen Rechten einen hohen Stellenwert. Einige ihrer zentralen Kampagnen der letzten 30 Jahre zeigen, dass sich historische Themen als besonders mobilisierungsfähig erwiesen und mit dazu beigetragen haben, das in Grabenkämpfe verstrickte Spektrum zu einen. Die extreme Rechte schafft sich dabei ihre eigenen Erinnerungen, oftmals in Form von fiktionalen Erzählungen, die im Gegensatz zur offiziellen Geschichtsschreibung der Bundesrepublik stehen. In Veröffentlichungen, Liedtexten, im Rahmen von Demonstrationen und anderen Veranstaltungen werden die Mythen weitergetragen. Sie dienen der Identitätsbildung und Selbstvergewisserung. Geschichte ist für das rechtsextreme Milieu zudem immer eine Verpflichtung zum „Kampf für die Volksgemeinschaft“ in der Gegenwart – beispielsweise in der Abwehr von Flüchtlingen.
Mit diesen Themen befasst sich eine neue Veröffentlichung der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (ibs) im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln. Darin finden sich Beiträge der Tagung „‚Opa war in Ordnung!‘ Erinnerungspolitik der extremen Rechten“, zu der das NS-DOK im Mai 2015 anlässlich des 70. Jahrestages des Kriegsendes in Europa eingeladen hatte. Die Konferenz war eine Kooperationsveranstaltung der ibs mit der Bundeszentrale für politische Bildung. Der Sammelband umfasst 22 Beiträge, darunter einer des renommierten Militärhistorikers Richard Overy und zwei Artikel, die sich mit „Mein Kampf“ befassen.
Die reich bebilderte Veröffentlichung kann für 9,90 Euro im Buchhandel oder unter ibs@stadt-koeln.de bestellt werden. Ihr genauer Titel lautet: Hans-Peter Killguss/Martin Langebach: Opa war in Ordnung!‘ Erinnerungspolitik der extremen Rechten, Verlag NS-Dokumentationszentrum, Köln 2016, 244 Seiten (ISBN 978-3-938636-24-4)
Seit 19 Jahren zeigt das NS-DOK im Rahmen des „Schüler- und Jugendgedenktages“ zahlreiche und sehr unterschiedliche Projekte von Schülerinnen und Schülern, die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus und dem Holocaust auseinandersetzen und dabei häufig auch Bezüge zur Gegenwart herstellen. So sind etwa der Umgang mit Rassismus, Ausgrenzung oder Gewalt an Schulen Themen von Schülerarbeiten.
In der aktuellen Ausstellung zum Jugend- und Schülergedenktag 2016 präsentiert die „Museumsschule“ erstmals ein Projekt, dass diese Sonderausstellung mit der Dauerausstellung „Köln im Nationalsozialismus“ direkt verknüpft und damit so neue wie interessante Einblicke in die jugendliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Nationalsozialismus“ gewährt. Im Rahmen des Workshop-Themas „Sag’s einfach!“ haben sich Schülerinnen und Schüler mit der Dauerausstellung auseinandergesetzt und zu einem sie persönlich interessierenden Thema einen Kommentar geschrieben.
Als Beispiele seien hier genannt:
• War der Büttenredner Karl Küpper ein Widerstandskämpfer oder nicht?
• War es gerecht, dass Kardinal Frings nach dem Krieg Nazis zur Flucht verhalf?
• Wie haben sich damals Jugendliche wohl gefühlt?
Diese oft hochinteressanten Stellungnahmen sind nicht nur gesammelt in der Sonderausstellung einsehbar, sondern viele von ihnen wurden auch an die entsprechenden Stellen der Dauerausstellung platziert. Dort ermöglichen sie Besuchern für die Dauer der Sonderausstellung zum „Jugend- und Schülergedenktag“ direkte Einblicke in das Denken und die Analyse von Schülerinnen und Schülern.
Teilgenommen haben Klassen der Martin-Köllen-Schule (Förderschule) aus Köln-Gremberg, der Städtischen Hauptschule Mechernich in der Eifel, der Realschule Im Hasental in Köln-Deutz und dem Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Leverkusen.
Die Ausstellung zum Jugend- und Schülergedenktag ist noch bis zum 28. Februar 2016 im EL-DE-Haus zu sehen.
Als in diesem Jahr bereits 4. Band seiner Schriftenreihe legt das NSDOK hiermit „Senkrecht stehen bleiben“ bleiben vor. In im wird am Beispiel von Wolfgang Ritzer die Geschichte der Kölner Edelweißpiraten und das gesamte unangepasste Jugendverhalten im Nationalsozialismus ebenso dargestellt wie dessen späte Verarbeitung in der Bundesrepublik.
Im Mittelpunkt dieses 21. Bandes der Schriftenreihe steht die Lebensgeschichte von Wolfgang Ritzer. Seine Biografie wird verwoben mit der Geschichte der Edelweißpiraten und ergänzt um eine umfassende Darstellung der Kontroversen um diese Jugendgruppen bis zur Gegenwart.
Wolfgang Ritzer war Edelweißpirat in Köln. Er wurde Ende 1942 verhaftet. Dem Gefängnis entkam er nur durch seine Einberufung zu Arbeitsdienst und Wehrmacht. Sein Weg zu den Edelweißpiraten und sein Leben in der Jugendgruppe werden in dieser Publikation – ergänzt um zahlreiche Abbildungen – ebenso geschildert wie das Phänomen der unangepassten Jugendlichen während der Zeit des Nationalsozialismus. Ihre besondere Spannung bezieht die Untersuchung aus der Rolle Wolfgang Ritzers in der „Kölner Kontroverse“ seit den 1980er-Jahren. Immer wieder wurde diskutiert, ob die unangepassten Jugendlichen der Kriegszeit Widerstand geleistet hätten oder ob sie Kriminelle gewesen seien.
Die Verunglimpfung als Kriminelle verhinderte, dass den Edelweißpiraten und anderen unangepassten Jugendlichen eine ihnen angemessene Würdigung in der Öffentlichkeit zuteilwurde. Wolfgang Ritzer setzte sich bis zum seinem Tod im Jahr 2010 intensiv und unnachgiebig mit diesem Thema auseinander. Dieser Teil seiner Lebensgeschichte lässt erahnen, wie prägend und gleichermaßen erdrückend die Erfahrungen, die diese Ju-gendlichen während der NS-Zeit machen mussten, später weiter wirkten.
Eine besonders intensive Aufarbeitung erfahren die Lebensumstände von Jugendlichen in der Endphase des Zweiten Weltkriegs. Auf der Grundlage von teilweise bislang unbeachteten Quellen wird deutlich, dass es nahezu allen Jugendlichen im Kriegsinferno und in der Zusammenbruchgesellschaft im Herbst und Winter 1944/45 immer schwerer fiel, sich zu orientieren und nicht mit den NS-Überwachungsinstanzen in Konflikt zu geraten.
Nach dem Tod Wolfgang Ritzers wurde seine Sammlung von Fotos, Schriftquellen, Zei-tungsausschnitten und Korrespondenzen auf seinen Wunsch hin von der Nichte und Miterbin Irmi von Eckardstein dem NS-Dokumentationszentrum übergeben. Aus diesem reichhaltigen Fundus und auf der Grundlage bisheriger Forschungen des NS-DOK zu diesem Thema hat Martin Rüther den Band „Senkrecht stehen bleiben“ erarbeitet, der im Emons Verlag erscheint. Interessante wie wichtige Ergänzungen sind die Beiträge von Sonja Schlegel und Irmi von Eckardstein, die sich mit den posttraumatischen Belas-tungsstörungen von Wolfgang Ritzer als Folge der politischen Verfolgung durch das NS-Regime auseinandersetzen.
Mit dem Sammelband »Siegen für den Führer. Der Kölner Sport in der NS-Zeit«, der zur gleichnamigen Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln erscheint, wird ein lange verdrängtes Kapitel der Kölner Sportgeschichte intensiv beleuchtet. Die Nationalsozialisten setzten vom Beginn ihrer Herrschaft an auf die leibeserzieherische und propagandistische Wirkung des Sports. Sie richteten den Sport nach ihrer Ideologie aus, die körperliche Ertüchtigung zulasten anderer Fähigkeiten aufwertete. Sport diente den zentralen Zielen Soldatentum, Rassenideologie und Volksgesundheit.
13 Autorinnen und Autoren beschäftigen sich in ihren sehr lesenswerten und reich bebilderten Beiträgen mit Schwerpunktthemen wie dem Schul-, Betriebs- und Vereinssport, dem jüdischen Sport sowie der Rezeption der Olympischen Spiele von 1936 in Köln. Darüber hinaus wird die Entwicklung der seinerzeit besonders populären Sportarten Fußball, Leichtathletik und Radsport thematisiert.
Eingerahmt wird die Darstellung dieser Epoche des Sports von einer Kurzanalyse der Kölner Sportlandschaft in der Weimarer Zeit und von einem Kapitel über den Umgang mit der NS-Vergangenheit nach 1945.
Der Kölner Karneval in der Zeit des Nationalsozialismus -
NS-Dokumentationszentrum gibt neuen Band seiner Schriftenreihe heraus
Unmittelbar nach der diesjährigen Session stellt das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln im 18. Band seiner Schriftenreihe eine Studie über den Kölner Karneval in der NS-Zeit vor. Das Buch schrieb der ausgewiesene Kenner der Geschichte des Kölner „Fastelovends“, Dr. Marcus Leifeld.
Dass der Karneval für Köln und die Region eine herausragende Bedeutung hat, erkannten auch die lokalen NS-Parteifunktionäre und -Amtsträger. Mit verschiedenen Strategien zwischen gewaltsamer Lenkung und dem Gewähren von Freiräumen nutzten sie das Fest für ihre Ziele. Sie mussten dabei auf Anpassung und abweichendes Verhalten von Karnevalisten, Künstlern, Regimekritikern und anderen reagieren.
Mit einem genauen Blick bis hin zu den Exilanten in Paris und New York decodiert Leifeld in seiner Studie erstmals die komplexe Gemengelage im Karneval, die Netzwerke und Bündnisse, Motive und Taktiken von Tätern, Opfern und Mitläufern. Detailliert wird dabei dargelegt, auf welche Weise Nationalsozialisten und Karnevalisten die städtische Gesellschaft mit Hilfe des Karnevals „bei Laune“ hielten und gleichzeitig immer radikaler Sozialdemokraten, Kommunisten und vor allem Kölner Juden ausgrenzten. So rekonstruiert der Autor am Beispiel des Karnevals den Herrschaftsalltag in der Kölner Gesellschaft während des Nationalsozialismus.
„Uns verschleppten sie nach Köln…“ - NS-DOK legt Band über Besuchsprogramm von Zwangsarbeitern vor
Ein Jahr nach der Beendigung des Besuchsprogramms für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter legt das NS-Dokumentationszentrum mit dem 19. Band seiner Schriftreihe ein authentisches und einzigartiges Bild dieses Kapitels der Geschichte im nationalsozialistischen Köln vor. Das Programm startete 1989, zwischen 1990 und 2014 hat das NS-DOK es in Zusammenarbeit mit der Projektgruppe Messelager organisiert. In den 25 Jahren gab es 36 Reisen nach Köln mit über 500 Gästen. Angelika Lehndorff-Felsko begleitete die Besuchsprogramme über viele Jahre und stellte aus der Fülle der Interviews und Materialien eine eindrucksvolle Dokumentation zusammen.
In Köln gab es in den Kriegsjahren rund 100.000 ausländische Arbeitskräfte, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge, die Zwangsarbeit leisten mussten. Sie arbeiteten in der Industrie, im Gewerbe, in der Landwirtschaft und in Privathaushalten. Die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter unterlagen einem rassistischen Sonderrecht, in dem Polen und Sowjetbürger auf der untersten Stufe standen. Die Gestapo überwachte diesen sogenannten Arbeitseinsatz. Bei einem Sabotageverdacht, bei Fluchtversuchen und bei Verstößen gegen das Kontaktverbot mit deutschen Frauen wurden die Zwangsarbeiter schwer bestraft.
Die Publikation leistet zu allererst einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Themas Zwangsarbeit im nationalsozialistischen Köln. Detailliert berichten die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter von ihrer Verschleppung, den einfachen Barackenlagern, der schlechten Versorgung, den alltäglichen Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit und von den schweren Arbeitsbedingungen. Darüber hinaus dokumentiert die Publikation auch das Besuchsprogramm der Stadt Köln in einmaliger Weise, mit Gruppenfotos aller Gäste und einem Register, das alle Teilnehmer mit Kurzinformationen aufführt.
Auf dem Deutschen Archivtag und der begleitenden Fachmesse Archivistica war im September 2014 in Magdeburg auch der Verein für Computergenealogie e. V. vertreten, der unter anderem das Ziel verfolgt, durch die Digitalisierung und kostenfreie Bereitstellung von historischen Quellen im Internet familiengeschichtliche Forschungen zu erleichtern. Nina Matuszewski, Dokumentarin im NS-Dokumentationszentrum, knüpfte bei dieser Gelegenheit erste Kontakte zur Vereinsvorsitzenden Marie-Luise Carl, die zu einer Kooperation bei der Digitalisierung von Adressbüchern führten.
Nicht nur für genealogische Forschungen, sondern auch für viele andere wirtschafts- und sozialhistorische Fragestellungen sind Adressbücher eine hochinteressante Quelle. Im NS-DOK werden sie in erster Linie bei der Erforschung der jüdischen Geschichte Kölns genutzt, insbesondere für Recherchen im Vorfeld der Verlegung von Stolpersteinen und bei Anfragen der Nachkommen jüdischer Kölnerinnen und Kölner, die etwas über ihre Vorfahren erfahren möchten. Wo keine Fotografien überliefert sind, finden Adressbucheinträge oder Anzeigen von Handwerkern, Ärzten, Geschäftsleuten außerdem als Illustrationen Eingang in Publikationen oder Ausstellungen.
Der häufige Gebrauch ist den Büchern deutlich anzusehen, weshalb die Anfertigung von Digitalisaten für die Benutzung dringend geboten war. Allerdings schien das angesichts des Umfangs – allein das Adressbuch des Jahres 1933 zählt in zwei Bänden mehr als 3.000 Seiten – aus Mitteln des NS-DOK kaum realisierbar. Die Computergenealogen sahen darin allerdings kein Problem: In ehrenamtlicher Heimarbeit digitalisierte das Ehepaar Reinhardt an einem professionellen Aufsichtsscanner innerhalb von nur vier Wochen aus den Beständen des NS-DOK acht komplette 13 Bände umfassende Jahrgänge von Grevens Adressbüchern, die an dieser Stelle bereits online zugänglich sind. 15 weitere Ausgaben aus den Jahren 1898 bis 1945, die für unsere Arbeit von besonderem Interesse sind, werden bis Frühjahr 2015 folgen.
Die einzelnen Seiten der Adressbücher werden als Bilddateien gescannt. Da der überwiegende Teil der Bücher in Fraktur gedruckt ist, steht verlässliche und finanzierbare Software zur Texterkennung nicht zur Verfügung, das heißt, es ist nicht möglich, in den Digitalisaten nach Namen oder Begriffen zu suchen. Wünschenswert ist deshalb die Aufbereitung in einer Datenbank, ein Weg, den der Verein für Computergenealogie bereits in Crowdsourcing-Projekten, also unter Beteiligung vieler Freiwilliger über das Internet, verfolgt. Mit einer webbasierten Software namens DES werden dabei die Adressbucheinträge in eine an die jeweilige Quelle angepasste Datenerfassungsmaske eingegeben. Wie solch ein Crowdsourcing-Projekt auch für die Kölner Adressbücher realisiert werden kann, wird 2015 zu überlegen sein.
In der vergangenen Woche erhielt das NSDOK Besuch von einem Kölner, der einen interessanten Fund ins Haus brachte. Schon vor Jahren, so erzählte er uns, habe er im Altpapier durch Zufall ein Fotoalbum gefunden, das ihm zu interessant erschien, um im Müll zu enden. Danach habe das Album dann unbeachtet bei ihm zu Hause gelegen, bis er sich jetzt entschlossen habe, es – sofern Interesse daran bestehe - dem NSDOK zu übereignen.
Und ob Interesse bestand! Das detailliert beschriftete Fotoalbum eines damaligen Kölner Schülers wurde im Jahr 1936 zusammengestellt und zeigt Verlauf und Inhalt eines jener dreiwöchigen „Nationalpolitischen Lehrgänge“, wie ihn die Oberstufenschüler der deutschen Gymnasien seit Herbst 1933 jährlich absolvieren mussten. (Nähere Infos hierzu finden Sie hier.) In diesem Fall handelte es sich um jeweils eine Oberstufenklasse von drei Gymnasien aus Köln, Bad Godesberg und Essen, die sich im Sommer zu ihrem jährlichen Lehrgang in der Jugendherberge im saarländischen Ludweiler zusammenfanden. Die Fotos zeigen Schlaglichter des Lageralltags und vermitteln interessante Einblicke in die Intentionen, die das NS-Regime mit solchen Lehrgängen verfolgte. Daher ist dieser Zufallsfund ein hochinteressantes Objekt, das im Rahmen der Forschungs- und Ausstellungsarbeit des NSDOK sicherlich gewinnbringend genutzt werden wird.
Dem Finder und Überbringer an dieser Stelle nochmals unseren herzlichen Dank. Zugleich hoffen wir, dass dieses Beispiel auch andere motivieren wird, solch wichtige Quellen (Fotoalben, Tagebücher, Briefwechsel, Zeitschriften u.a.m.) vor der sicheren Vernichtung zu bewahren. Bringen Sie solche Dinge zu uns, damit wir sie begutachten und entscheiden können, ob und – falls ja – wie solche Überbleibsel der NS-Zeit sinnvoll eingesetzt und für die Nachwelt genutzt werden können.
Als wir das Geschichtslabor entwickelten, griffen wir auf einige Interviews mit verschiedenen Zeitzeugen zurück. Eines hatte uns Manfred Simon gegeben. Er lebte als Sohn eines jüdischen Metzgers in Köln in der Weidengasse. 1939 sahen die Eltern keine Zukunft mehr in Deutschland und schafften es gerade noch, eine Ausreise in die USA zu organisieren, bevor dies durch den Kriegsausbruch unmöglich gewesen wäre. Manfred war zu diesem Zeitpunkt 10 Jahre alt.
In den ausgewählten Interviewausschnitten erzählt er, wie er sich in seiner Kölner Kinderzeit aus Angst vor den Jungen der HJ immer mehr zurückzog. Aber er erlebte auch, dass einige Nachbarn die Familie noch unterstützten. Und er berichtet von seinen ersten Eindrücken in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Manfred Simon studierte und wurde Arzt. Nun ist Dr. Simon pensioniert, und er besuchte mit seinem Enkel Oliver und seiner Frau Suzanna Europa. Eine Station war Köln und hier unter anderem das EL-DE-Haus. Oliver löste die „Mystery Question“ des Geschichtslabors und entdeckte, das er nun einen sehr berühmten Großvater hat. Mehrere hundert deutsche Schülerinnen und Schüler kennen dessen Stimme und etwas von seiner Lebensgeschichte! Mr. Simon selbst war von unserer pädagogischen Arbeit im Geschichtslabor sehr angetan. Aber er war auch traurig, erinnerte er sich doch wieder an die Zeit in Köln und vor allem daran, dass er seine Großeltern hier zurücklassen musste, als er ins Exil ging. Er hat sie nie wiedergesehen.
Thomas Geve hat die Zeit zwischen seinem 13. und seinem 15. Lebensjahr im Konzentrationslager Auschwitz verbringen müssen. Sofort nach seiner Befreiung hielt er den Alltag, den er dort erlebte, mit Buntstiften und Wasserfarben fest. Es entstanden Zeichnungen in einem ganz eigenen, dokumentarischen Stil. Es sind sachliche Bilder, Emotionen werden nicht sichtbar. Die leicht ironischen Überschriften geben zunächst keinen Hinweis auf den Hunger oder das Miterleben des Mordens. So wird auch der Komplex der „Arbeit“ in Auschwitz eher schematisch dargestellt, und es gehört ein gutes Maß Wissen dazu um sich vorstellen zu können, was es bedeutete, z.B. unter den Bedingungen von Auschwitz neue Lagergebäude errichten zu müssen.
Nun kann es nicht Ziel unserer Arbeit sein, die Besucherinnen und Besucher die Gräuel und die Todesangst „nachempfinden“ zu lassen. Dies ist unmöglich, und jeder derartige Versuch wäre eine Verhöhnung der Leiden der Opfer. Aber einige Erfahrungsdefizite vor allem bei den jungen Menschen, die die Ausstellung besuchen (hier geht es zum 360-Grad-Rundgang), können wir helfen zu beheben. So konnte Thomas Geve 1945/46 davon ausgehen, dass jedes Kind wusste, wie schwer ein Ziegelstein war. Jeder konnte sich vorstellen, was es bedeutet haben musste, stundenlang ohne ausreichende Ernährung diese Steine zu tragen. Das ist heute ganz anders. Die meisten der Schülerinnen und Schüler, die uns besuchen, haben wenig bis gar keine Erfahrung mit körperlicher Arbeit. Auf unsere Frage, wann sie zuletzt einen Ziegelstein in der Hand hielten, antwortete bisher noch niemand positiv. Deshalb gibt es nun in der Ausstellung zwei Ziegelsteine, die man in die Hand nehmen und weiterreichen kann.
Am 30. Mai 2014 begrüßte das NS-DOK Gäste aus den USA: Das Ehepaar Drachman aus Boston besuchte Köln auf den Spuren der Vergangenheit. Frau Drachmann hatte im Nachlass Ihres Vaters einen Brief gefunden, in dem er erwähnte, dass er 1945 als alliierter Soldat in Köln dafür gesorgt habe, dass auf einem Platz vor einem Gebäude der noch provisorischen Stadtverwaltung ein Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus gesetzt wurde. Diesen Gedenkstein wollte das Ehepaar n nun in Köln suchen und besuchen.
Recherchen ergaben, dass nur die Gedenktafel am Hansaring gemeint sein konnte, die noch während der amerikanischen Besatzungszeit auf den Gräbern von sieben Menschen errichtet worden war, deren Leichen man am 25. Mai 1945 auf dem Gelände des damaligen Gefängnisses „Klingelpütz“ gefunden hatte. Die Tafel trägt die Inschrift: „Hier ruhen sieben Opfer der Gestapo. Dieses Mal erinnere an Deutschlands schandvollste Zeit (1933 – 1945).“
Nachdem wir den ersten Kölner Nachkriegsgedenkort mit dem Ehepaar Drachman aufgesucht hatten, luden wir sie noch ins NS-Dokumentationszentrum ein, wo wir ihnen aus einem Dokumentarfilm bewegte Bilder der Einweihung der Gedenktafel vom 3. Juni 1945 zeigen konnten. In unseren Unterlagen fand sich auch ein Organigramm der amerikanischen Besatzungsregierung, in dem Frau Drachman den Namen ihres Vaters fand. Anhand der weiteren dort erwähnten Namen will sie nun nachforschen, ob noch ehemalige Freunde ihres Vater leben, um sich mit ihnen über die damaligen Ereignisse bei Kriegsende zu unterhalten.
In der Mai-Ausgabe der Zeitschrift „Liebes Land“ findet sich unter der Rubrik „Altes Wissen“ folgende Abbildung mit erläuterndem Text. Darin heißt es u.a.: „Schon im Puppenalter der Mädchen sollten Eltern für die spätere Hochzeit ihrer Töchter materiell vorsorgen. An elterliche Fürsorge appellierte die Werbung aus dem Jahr 1937 für eine Aussteuerversicherung. Die Auszahlung erfolgte zur Hochzeit. Für den Fall des vorzeitigen Todes der Eltern wurden die Beitragszahlungen sogar von der Versicherungsgesellschaft übernommen.“
Nach jahrelanger Aufklärungsarbeit über den Nationalsozialismus verwundert doch, dass die Redaktion derart unbedarft NS-Propaganda übernimmt. Oder steckt vielleicht Absicht dahinter? Zur Erinnerung: Es handelte sich bei dieser „Vorsorge“ um eine Maßnahme, die nur sogenannten „arischen“ Deutschen vorbehalten war und die dazu dienen sollte, die rassistische Bevölkerungspolitik der Nationalsozialisten zu unterstützen.