Chronik 
Polizei und HJ-Streifendienst kontrollieren Kölner Jugendorganisationen auf Fahrt in Odenthal

Das Gebetbuch in der Hand - das Hemd ausgezogen: Mitglieder der „Neudeutschland“-Gruppe unmittelbar nach der Kontrolle durch den HJ-Streifendienst und der Beschlagnahmung ihrer Hemden. Die Gruppenmitglieder, die kein Unterhemd trugen, durften ihr „Bundes“-Hemd behalten.


Neudeutschland-Fähnlein des Gymnasiums Gyrhoffstraße Anfang der 1930er Jahre (stehend 2. v.r.: Klaus Courage)

Der Bund "Neudeutschland" des Realgymnasiums Köln-Lindenthal fährt über das Wochenende "zur geistlichen Schulung" in ein Heim nach Voiswinkel bei Odenthal. Am Sonntagmorgen werden rund 20 Jungen unter der Leitung des Fähnleinführers Klaus C. auf dem Weg zur Kirche von der örtlichen Polizei und dem HJ-Streifendienst angehalten und auf verbotene Kluft untersucht. Nach Angaben des HJ-Unterbannführers S. habe die Gruppe Neudeutschland eine "marschierende Kolonne" von etwa 35 Jungen in Viererreihe gebildet und sei geordnet gegangen, "so dass der Charakter eines geschlossenen Zuges" entstanden ist [...]. Es wurde bis zu unserem Ankommen in straffer Ordnung marschiert und gesungen." Deshalb sei ein Polizist gegen den Führer des Zuges eingeschritten; die HJ-Führer hätten sich nicht an der Kontrolle beteiligt. Bei der Kontrolle seien einige Abzeichen bzw. Uniformstücke gefunden worden.

Dagegen sagen die katholischen Jugendlichen übereinstimmend aus, dass sie von den HJ-Führern durchsucht und genötigt wurden, ihre Hemden auszuziehen und ihre Personalien anzugeben. Und dies, obwohl sie weder geschlossen marschiert seien noch verbotswidrig Kluft getragen hätten.

Offensichtlich bleiben Polizei und HJ nach diesem Einsatz auf ihrem Posten und warten auf weitere Eingriffmöglichkeiten, die sich ihnen auch bald bieten. Wenige Stunden später kontrollieren sie die Jungschar der Gemeinde St. Peter aus Köln-Ehrenfeld. Diese ist ebenfalls über das Wochenende in dem Odenthaler Heim untergebracht und hat den Gottesdienst in der anbei liegenden Kirche besucht. Sie ist nun auf dem Rückweg von der Kirche in ihr Heim. Der Jungscharführer dieser Gruppe, Peter P., führt in seiner polizeilichen Vernehmung aus, dass die Jungen zwar ein Wanderlied gesungen und in Zweierreihe gegangen seien, aber ohne "Marschtritt" und ohne einheitliche Kleidung: "Wenn hier und da jemand eine Manchesterhose oder Jacke getragen hat, so besass er andere Kleidung nicht. Es wurde von anderen auch bürgerliche Kleidung getragen. Ich selbst trug Pullover und kurze Fahrtenhose."

Gegen die Jugendlichen beider Gruppen wird zwar ein Verfahren beim Kölner Sondergericht wegen Verstoßes gegen die Verordnung vom 28.2.1933 eröffnet, alle Verfahren werden aber wegen geringen Verschuldens eingestellt.



 
Gruppen
Bund Neudeutschland (Gymnasium Gyrgoffstraße)
Sturmschar St. Peter Köln-Ehrenfeld

Lexikon
Kluft
HJ-Streifendienst (SRD)
Bund Neudeutschland (ND)
Sturmschar/Jungschar
Sondergericht