Chronik 
Die Ehrenfelder Steinbrück-Gruppe fliegt auf

Günther Schwarz (vorne links) im November 1942 in seinem Lehrbetrieb: Der im August 1928 geborene Günther wurde am 10. Oktober verhaftet und war der Jüngste unter den Opfern des 10. November 1944


Adolf „Dölfes“ Schütz mit einem Freund um 1942/43: Der 1926 geborene „Adi“ war, seit April 1944 Soldat, während eines „Heimaturlaubs“ im August 1944 desertiert. Er wurde am 20. Oktober 1944 aufgrund einer Denunziation als letzter der Hingerichteten verhaftet.

Die Schönsteinstr. 7 bildet den Treffpunkt einer illegalen Gruppe in Köln-Ehrenfeld, seitdem Cilli S. ihrem Freund Hans Steinbrück im Juli 1943 dort Unterschlupf gewährt hatte.

Steinbrück, ein untergetauchter KZ-Häftling, legt in den Kellerräumen des zerstörten Hauses ein umfangreiches Lebensmittel- und Waffenlager an. Er steht in enger Verbindung zu geflohenen Zwangsarbeitern, zu kriminellen Deutschen, mit denen er seit August 1944 Hehlergeschäfte machte, und zu Leuten aus dem kommunistischen Widerstand, die allerdings seit August 1944 wegen des waghalsigen Verhaltens Steinbrücks auf Abstand zu ihm gehen.

Kurz vor ihrer Verhaftung verstecken Steinbrück und S. außerdem zwei untergetauchte Jüdinnen, die vor ihrer drohenden Deportation geflüchtet waren. Bei Steinbrück gehen ferner verschiedene Jugendliche wie Johann Müller, Günther Schwarz und Barthel Schink ein und aus.

Seit August 1944 gewinnen die Aktivitäten der Steinbrück-Gruppe eine zunehmende Dynamik. Im Vordergrund stehen zunächst kleinere, dann immer größere Einbrüche zur Beschaffung von Lebensmitteln und Waffen, an denen auch verschiedene Jugendliche als Handlanger und Botengänger beteiligt sind.

Vor der Gestapo fasst Steinbrück die Ziele der Gruppe folgendermaßen zusammen: Er und seine Komplicen hätten alles tun wollen, um den Krieg schnell zu Ungunsten Deutschlands zu beenden. Aus diesem Grund sei auch das Waffenlager angelegt worden. Damit sollten kriegswichtige Betriebe und Bahnanlagen gesprengt werden, wenn die Front erst näher gerückt sei. Auch die später zu der "Bande gestossenen Mitgliedern" hätten diesen Plan gekannt und unterstützt.

Allerdings verhält sich Steinbrück so unvorsichtig, dass die Gefahr, verhaftet zu werden, stark zunimmt. Dies führt auch ein Mitglied der Steinbrück-Gruppe nach seiner Verhaftung vor der Gestapo aus: "Nachdem Steinbrück dort andauernd Eifersuchtsscenen wegen der Cilli S. hatte, mit der Pistole nach der S. schoß und dann auch noch einige am Westwall flüchtig gewordene HJ-Jungens aufgenommen hatte, habe ich mir gesagt, daß ein weiteres Verbleiben in der Unterkunft mit einer Freiwilligstellung bei der Polizei gleichbedeutend sei."

Am 29. September 1944 wird die Gruppe um Steinbrück durch eine Heeresstreife entdeckt, die allgemeine Personenkontrollen durchführt. Nach Angaben der Polizei werden sie von einem Unbekannten auf die Schönsteinstraße 7 aufmerksam gemacht, weil sich "dort eine fahnenflüchtige Person" aufhalte. Im Ermittlungsbericht des leitenden Kommissar Kütters heißt es zu dem Vorfall: "Beim Betreten des Hauses ergriffen 2 männliche Personen nach hofwärts die Flucht. Die Durchsuchung des ... zerstörten Hauses und der Nachbarhäuser ergab, daß in den Kellerräumen der Häuser Schönsteinstr. 7, 9, 11 und 13 Schlaf- und Wohnräume eingerichtet worden waren. In diesen Räumen wurden zahlreiche Waffen gefunden und da es sich vorwiegend um Militärgut handelte, von der Heeresstreife" beschlagnahmt.

Bei einer polizeilichen Durchsuchung am folgenden Tag werden außer der dort regulär wohnenden Cilly S. auch die beiden Jüdinnen verhaftet. Die Polizei installiert eine Wache vor dem Haus in der Schönsteinstraße.

Am gleichen Tag, dem 30. September 1944, führt die Gestapo im Zusammenhang mit der Ermordung des Ortsgruppenleiters Soentgen eine Razzia durch, bei der acht Personen festgenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verbindung zur Steinbrück-Gruppe aber noch unklar.

Einen Tag später findet vor dem Haus in der Schönsteinstraße eine "wüste Schießerei" statt, wie es im Ermittlungsbericht Kütters heißt: "Dabei wurde der als Posten vor dem Hause Schönsteinstraße 7 aufgestellte Polizeiwachtmeister D. angeschossen. Kurze Zeit später fielen von dem Bahndamm der Eisenbahnlinie Köln - Aachen verschiedene Schüsse auf eine Personengruppe in der Schönsteinstraße. Der HJ-Streifenführer Franz Haan erlitt dadurch mehrere tödlich wirkende Kopfschüsse." Die Täter können zunächst unerkannt entkommen. Erst später wird herauskommen, dass Steinbrück mit Roland Lorent und einigen Jugendlichen (darunter Schink, Schwarz und Rheinberger) Cilly S. befreien will. Auf dieser Amokfahrt durch Ehrenfeld werden der SA-Mann und der Hitlerjunge von Steinbrück bzw Lorent erschossen. Der angetrunkene Lorent schießt aber auch auf unbeteiligte Passanten.

Am 3. Oktober 1944 vereitelt die Polizei einen "Sprengmitteldiebstahl im Fort X am Neusser Wall. Am Abend des 3. Oktober wird wiederum ein Passant auf der Hackländerstr. aus einem fahrenden PKW angeschossen. Einmal mehr entkommen die Täter, die der Steinbrück-Gruppe angehören, zunächst unerkannt.

Es folgen jedoch weitere Razzien und Verhaftungen. Bis Mitte Oktober werden insgesamt 63 Personen festgenommen, die von der Gestapo dem engeren und weiteren Umfeld der Steinbrück-Gruppe zugeordnet werden. Sie müssen mit härtesten Strafen des NS-Regimes rechnen.



 
Gruppen
Steinbrück-Gruppe (Jugendliche)

Lexikon
Gestapo
HJ-Streifendienst (SRD)
Zwangsarbeit
Kütter, Ferdinand