Kölner Edelweißpiraten um 1940/41
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Die Jugendgruppe am Leipziger Platz ist ein Beispiel dafür, wie bestimmte Treffpunkte eine hohe Anziehungskraft auf Jugendliche entwickelten, einfach "weil dort viel los war", wie Eduard L. in seiner Vernehmung zu Protokoll gibt.
Im Schlussbericht der Gestapo wird die Geschichte der Jugendgruppe Leipziger Platz folgendermaßen zusammengefasst: "Im Frühsommer 1942 versammelten sich allabendlich etwa 15 Jugendliche am Leipziger Platz in Köln. Diese musizierten und sangen, wie dieses bei Wanderungen üblich war. Durch den Gesang angelockt, vergrösserte sich die Zahl der Teilnehmer im Laufe des Sommers bis auf mehr als 100 Jugendliche. Es kam zu verabredeten Wanderungen. Die Teilnehmer besuchten zeitweilig auch die Wirtschaften Vaesen, Köllen und Klein in Köln-Nippes. Allmählich bildete sich ein Kreis von Jugendlichen, der als Bund anzusprechen war."
Genauere Einblicke in diese Entwicklung liefert Willi Th. in seiner Vernehmung vom 21. Dezember 1942. Er sei im Dezember 1941 das erste Mal zum Leipziger Platz gekommen. Zu diesem Zeitpunkt haben sich dort etwa 30 Jugendliche (Mädchen und Jungen) getroffen, die alle in der Umgebung des Platzes wohnen: "Die Jugendlichen spielten Gitarre und sangen dazu. Es wurden Marschlieder gesungen, die auch bei der HJ bei Gesängen und Märschen angewandt werden. [...] Am Leipziger Platz trafen sich die Jugendlichen in einer Parkanlage, wo Bänke stehen." Th. habe etwa ein halbes Jahr - also bis zum Sommer 1942 - an den Zusammenkünften am Leipziger Platz teilgenommen. Dann sei er für ca. 3 Monate dem Platz ferngeblieben. Als er wieder zurückkommt, habe sich vieles geändert: "Die Zahl der Teilnehmer hatte sich erheblich vergrössert. Es kamen nicht nur Jugendliche aus der Umgebung des Leipziger Platzes, sondern auch Personen aus allen Stadtteilen Kölns. Die Teilnehmer setzten sich in der Hauptsache aus Jugendlichen zusammen, die Wanderfahrten während des Wochenendes machten.“ Als sich Willi Th. im Sommer 1942 diesen Jugendlichen vom Leipziger Platz erneut anschließt, nennen sich diese laut Th. bereits "Edelweiss-Piraten": "Dieses war auch bis in die letzte Zeit üblich, ohne dass es sich um einen Verein handelte." [...] Man habe sich untereinander nur mit Spitznamen gekannt. Auch die Frauen und Mädchen bei den Fahrten habe man nicht namentlich gekannt." Dagegen berichtet ein Zeitzeuge, der anonym blieben will, dass Th. die Gruppe neu gegründet habe, nachdem diese 1941 aufgrund von Gestaporazzien und Einberufungen zur Wehrmacht von einer Auflösung bedroht war.
Auch wenn die Initiatoren der Neubelebung nicht genau rekonstruiert werden können, geht aus der Aussage von Heinz Cr. hervor, dass sich seit Frühjahr 1942 "nach und nach Personen in kluftähnlicher Kleidung dazu gesellt" haben, die aus verschiedenen Gegenden der Stadt stammen. Er ergänzt, dass sogar zwei 18-20jährige Jugendliche aus Düsseldorf dazugekommen seien. Diese Aussage deckt sich mit der Tatsache, dass bei der Razzia am 4. Dezember 1942 zwei Jugendliche aus Düsseldorf verhaftet werden.
Nach Aussage von Karl Heinz A. unternimmt die Gruppe vom Leipziger Platz größere Wochenendfahrten wie die zur Scheiderhöhe am 20. September 1942 und die Fahrt nach Altenberg am 4. Oktober 1942. Bei der Oktober-Fahrt haben sich "Jungen aus allen Stadtteilen Kölns wie Longerich, Bickendorf, Kalk sowie vom Volksgarten und Leipziger Platz" gemeinsam auf Fahrt begeben.
Mit besonderem Nachdruck versucht die Gestapo herauszufinden, ob es sogenannte "Rädelsführer" unter den Jugendlichen am Leipziger Platz gibt. Diesbezügliche Fragen in den Vernehmungen der beteiligten Jugendlichen werden von den Jugendlichen sehr unterschiedlich beantwortet. Laut Harry Schw. habe es bei der Gruppe keine Anführer gegeben: "Ich möchte diese Zusammenkünfte am Leipziger Platz vielmehr als losen Zusammenhalt ansprechen. Kurz gesagt: Einer brachte den anderen mit." Dagegen gibt Eduard L., selbst einer der Tonangeber vom Leipziger Platz, vor der Gestapo am 10. Dezember 1942 zu Protokoll: "In jedem Fall war Heinz Cr., den ich für den Rädelsführer hielt und Willi Th. dort. [...] Cr. führte in jedem Falle das grosse Wort, denn er schlug Fahrten vor, die dann von den Anwesenden bedingungslos angenommen wurden. Hier wurden fast ausschließlich bündische Lieder gesungen. Ich kann mich entsinnen, dass auch in einem Lied der Ausdruck "Edelweiss-Piraten" vorkam." Th. bezeichnet sich als "Führer wider Willen": "Auf die Frage, ob ich mich als der Führer der im Lokal versammelten fühlte, habe ich zu erwidern, dass dieses von mir nicht gewünscht wurde, die Kameraden nannten mich aber "Wiski bill", hielten mich für stark und hörten auf meine Worte." Hans Gr. berichtet wiederum, dass anfangs „Sepp“ (L.), dann „Eugen“ (Cr.) eine Anführerposition inne gehabt haben. In der Anklageschrift gegen die Jugendlichen vom 23. Juni 1943 heißt es hierzu: "Häupträdelsführer und stets treibende Kraft war der Angeklagte Th. Neben ihm traten die Angeklagten Cr. und L. führend in Erscheinung."
Anders als in der Frühphase der Leipziger Platz-Gruppe trifft man sich im Spätsommer/Herbst 1942 vorrangig in Gaststätten. Laut Gr. habe man sich zunächst eher in der Wirtschaft Vaesen aufgehalten. Nachdem der Verdacht aufkommt, man sei bei Vaesen verraten worden, wird der Treffpunkt gewechselt. Fortan besucht man die Wirtschaften Köllen und Klein.
Nach diesem ersten Verdachtsmoment wächst das Misstrauen unter den Jugendlichen. Gr. zufolge werden verschiedene Jungen verdächtigt, den Treffpunkt am Leipziger Platz verraten zu haben: "Schl. hatten wir deshalb schon eine "Abreibung" gegeben." Es scheint, als habe bereits vor der großen Razzia am 4. Dezember 1942 der Leipziger Platz an seiner Bedeutung als beliebter Treffpunkt eingebüßt.
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