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Razzia auf der Margarethenhöhe

Die "Margaretenhöhe" in Rösrath in den 1930er Jahren

Die Gestapo führt am 12. Dezember 1937 eine Razzia durch, "von der die bekannten Fahrtenziele der Navajos" erfasst werden. Im Bericht des zuständigen Gestapobeamten Sch. heißt es: "Einer der immer wieder bevorzugten und bekanntesten Treffpunkte ist Rösrath und dort selbst das Restaurant "Margarethenhöhe"." In einem kleineren Nebenbau würden sich die einzelnen Gruppen der Navajos treffen, Lieder singen und ihre Fahrtenerlebnisse austauschen: "Bei der Streife befanden sich gegen 17 Uhr elf jüngere Personen in dem besagten Raum. Ihr Gesang (Nerother Bummler) klang bis auf die Straße. Sämtliche Personen trugen Teile bündischer Tracht. Sie führten zwei Klampfen mit sich, mit denen der Gesang begleitet wurde."

Einer der Jugendlichen - Heinz N. - ist der Gestapo bekannt, da er früher oft in Begleitung des Jakob Sch. war. Sch. war zwei Wochen zuvor vom Kölner Sondergericht wegen Fortführung der bündischen Jugend zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden: "Da er [N.] außerdem allein schon dem Altern nach als der Führer der betroffenen Gruppe gelten kann, wurde er vorläufig festgenommen und der Gestapo Köln zugeführt. Die übrigen Jugendlichen konnten nach Hause fahren."

Bei seiner Vernehmung am 13. Dezember 1937 gibt N. interessante Informationen zur Frühphase der Navajos, die er bereits 1934 kennen lernte: "Bereits damals bestand schon die Bezeichnung "Navajos". Soviel ich weiss, hat zunächst die HJ die Bezeichnung aufgebracht, weil sie die Burschen wegen ihrer bunten Tracht und wilden Art wohl unter die Indianer einreihte." Die Gegensätze zwischen HJ und Navajos bestünden schon seit jener Zeit. Die ersten Gruppen hätten sich an einzelnen Strassenecken gebildet, wie Alte Mauer am Bach usw. "Die einzelnen Gruppen trafen sich nun an den bekannten Ausflugsorten und lernten sich nun näher kennen. Die Folge war, dass sich die einzelnen Gruppen auch nunmehr in der Stadt an ihren Plätzen trafen. Die Tracht der Navajos, die den einzigen Zweck der Kennzeichnung der Gesinnungsgenossen hat, bildete sich allmählig heraus. Wer die Anregung dazu gab, kann ich nicht sagen. Die Kluft war auch einer der Gründe mit, die den Gegensatz zwischen HJ und den Gruppen hervorrief. Weiter waren viele ehemalige HJ-Mitglieder bei den Navajos, die ihre Unlust über den HJ-Dienst zeigten."

Zu dem Treffen auf der Margaretenhöhe sagt N. aus, dass sich die Jugendlichen Witze erzählt und Fahrtenerlebnisse besprochen hätten. Auch sei in Begleitung von zwei Klampfen gesungen worden, u.a. das Lied von den Nerother Bummlern, das er nicht mitgesungen habe. N. streitet auch die übrigen Vorwürfe ab. Gleichwohl wird am 15. Dezember ein Haftantrag wegen Fluchtgefahr gestellt und entgegen der Bittgesuche von N. und seiner Eltern aufrecht erhalten.

Es folgen zahlreiche Vernehmungen der übrigen beteiligten Jugendlichen. In ihrer Vernehmung vom 20. Dezember 1937 gibt Anneliese K. "auf Vorhalt" zu, dass sie sich das Liederbuch "Singkreis" von Maria M. ausgeliehen habe, die wie sie am Heumarkt verkehre. Sie leugnet aber jegliche Zugehörigkeit zur bündischen Jugend. Einige Informationen zu den üblichen Navajogrüßen, Liedern und Kluft liefert Anneliese S. in ihrer Befragung. Hans N. hätte Gitarre gespielt. Sie bildet mit diesen "Geständnissen" aber unter den Jugendlichen eine Ausnahme. Die übrigen streiten bis auf ihre unternommenen Fahrten alles ab, was auf Navajoaktivitäten hinweisen könnte. Nur wenn es sich gar nicht mehr vermeiden lässt, werden Eingeständnisse gemacht. Kurt U. saht aus: "Auf Vorhalt gebe ich zu, dass wir auf Fahrt nicht wünschten mit HJ-Streifen zusammenzustossen, da wir wussten, dass wir falsch gekleidet waren. Ich gebe nunmehr zu, dass es sich bei der von mir getragenen Bluse um die Jungenschaftsbluse von D.J. 1.11 handelte. Ich bleibe jedoch dabei, dass weder ich noch meines Wissens N. in der D.J.1.11 waren."

10 Tage nach der Razzia - am 22. Dezember 1937 - fasst Gestapomann Sch. in einem Bericht zusammen, dass sich diese Vernehmungen äußerst schwierig gestalten, da alle hartnäckig leugnen und erst auf eindringlichsten Vorhalt Teilgeständnisse ablegen würden: "Es entstand der bestimmte Eindruck, dass sich die Burschen nach Feststellung ihrer Personalien auf der Margarethenhöhe über das bei der Stapo Auszusagende einigten und sich auch strikte an ihr Programm hielten." Sch. fährt in seinem Bericht fort, dass von allen Beschuldigten mit Bestimmtheit anzunehmen sei, dass sie die bündischen Grußformen kannten und anwandten und auch in anderer Weise bündisches Gedankengut noch nach der Veröffentlichung des Verbotes pflegten. Sie dürften sich ausnahmslos bewusst zu der HJ-feindlichen Gruppe der "Navajos" gerechnet haben. Bereits früher sei die Existenz eines Liederbuches festgestellt worden, dessen Herausgeber ein Hermann Sch. sei. Im vorliegenden Verfahren wird dieses Buch wieder erwähnt. Anneliese K. habe das fragliche Buch im Besitz gehabt. Sie sei eindringlichst darauf hingewiesen worden, der Verleiherin des Buches (Maria M.) nichts davon zu sagen, dass die Gestapo von dem Buch wisse. Trotzdem setzt sich K. sofort mit M. in Verbindung, die daraufhin auf die letzten Seiten des Liederbuchs ein HJ-Lied niederschrieb und bei ihrer Vernehmung den Eindruck macht, als sei dies bereits vor Monaten geschehen. Die Verfahren gegen M. und den Herausgeber des Liederbuches Hermann Sch. wird gesondert behandelt.

Am 27. Januar 1938 erhebt der Oberstaatsanwalt Anklage gegen die neun männlichen Jugendlichen vor dem Sondergericht Köln wegen verbotener Fortführung der "Bündischen Jugend". Sie hätten als "Navajos" das Gedankengut und Brauchtum der verbotenen bündischen Jugend gepflegt, auf Fahrten Kluft getragen, die sich der Kleidung der früheren bündischen Jugend anpasste und bündische Lieder gesungen. Auch sei der Pfadfindergruß bei ihnen üblich gewesen.

Am 8. Februar 1938 finder die Verhandlung vor dem Kölner Sondergericht statt. In der Urteilsbegründung heißt es: "In Köln befanden sich seit etwa 1934 Jugendgruppen, die sich nach einem Indianerstamme in Mittelamerika "Navajo" nannten. Die Jugendlichen trafen sich an verschiedenen Plätzen und in öffentlichen Anlagen u.a. auf dem Heumarkt." Sodann werden in der Urteilsbegründung die bekannten Grußformen der Navajos skizziert, ihre Kluft und ihre Fahrten: "Die Jugendlichen verließen zusammen oder in kleinen Gruppen die Stadt und trafen sich in der Umgebung von Köln an bestimmten Treffpunkten. Solche Treffpunkte waren Rösrath, Ammerländchen, Haus Steeg und Margarethenhöhe. Bei diesen Zusammenkünften, an denen auch Mädchen teilnahmen, wurden dann Lieder gesungen, die einem besonderen Liedgut angehören, so z.B. "Ja, die Sonn von Mexiko", "Platoff, preisen wir den Herrn", "Ihr lieben Kameraden", Einer besondere Vorliebe erfreute sich ein Lied "Nerother Bummler" genannt, sowie die Lieder "Wir lagen kurz vor Madagaskar" "Am Golf von Mexiko"."

Ferner heißt es in der Urteilsbegründung, dass das Sondergericht bereits zuvor festgestellt habe, dass es sich bei den Navajos um einen Bund handele, der als Fortsetzung der bündischen Jugend anzusehen ist. Dieses gehe aus dem Gesamtcharakter und der Geisteshaltung dieser Jugendlichen hervor. Bei den Navajos habe sich eine eigene Kluft und bestimmte Grußformen herausgebildet. Auch hätten sie sich volksfremden Einflüssen zugeneigt, was insbesondere ihr Liedgut zeige. Die Angeklagten hätten nun die verbotenen Lieder gesungen. Außerdem habe es ihnen nicht unbekannt bleiben können, dass die Staatspolizei schon vorher in verschiedenen Fällen gegen Navajos eingeschritten war. Deshalb seien die Angeklagten N., K., B. und M. wegen verbotener Fortführung der bündischen Jugend zu bestrafen. Die übrigen Jugendlichen werden "trotz erheblicher Verdachtsmomente" von dem Gericht wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Bei der Strafzumessung sei nicht unberücksichtigt geblieben, dass es sich bei den Navajos um eine undisziplinierte Gruppe handele, die sich gegen die Staatsjugend und die staatliche Autorität wandte. "Auf der anderen Seite ist mildernd berücksichtigt worden, dass die Verurteilten durchweg im jugendlichen Alter waren und auch nicht als weltanschaulich gefestigt angesehen werden können." Sie seien der Beeinflussung älterer Personen, insbesondere des zu einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten verurteilten N., erlegen.

Die Gesuche von Eltern und Jugendlichen selber, die Geldstrafen in Raten abzahlen zu dürfen, wird von dem Sondergericht bewilligt. Das Gericht setzt die Raten jedoch so hoch an, dass sie den im Frühjahr zu erwartenden neu einsetzenden Fahrtenbetrieb der Jugendlichen erschweren werden.



 
Gruppen
Singkreis
Navajos (Alte Mauer am Bach/Poststraße)
Navajos (Heumarkt)

Personen
Jakob S.

Lexikon
Kluft
Hitlerjugend (HJ)
Bündische Jugend
Gestapo
Sondergericht
Lieder
dj 1.11
Navajo